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Restriktive Rüstungsexporte? Drittländer und die Türkei: Die Realität 2015/16

Im Ostermarsch-Aufruf 2016 des Kasseler Friedensforums findet sich die Aussage “Weltweit gibt es in nie dagewesener Zahl 60 Millionen Menschen, die fliehen müssen. Eine Ursache dafür sind die Waffenexporte – auch aus Deutschland – auch aus Kassel”
An der öffentlichen Diskussion über dieses Thema ist auffallend, dass die Fluchtursachen Waffenexporte und Krieg entweder kaum eine Rolle spielen oder wirkungslos abstrakt bleiben.
So ist es nur folgerichtig, dass im Ostermarsch-Aufruf unter der Fragestellung “Was ist zu tun?” als zentrale Forderungen zu finden sind:
  • Die Bundesregierung muss die Beteiligung am sogenannten “Krieg gegen den Terror” beenden.
  • Die deutschen Waffenexporte, zuallererst in die Krisenregionen, sind zu stoppen.
 
Deshalb an dieser Stelle der folgende Sachstandsbericht zum Thema von Birgit Malzahn (Kasseler Friedensforum).



Waffenexporte sollen restriktiv sein

Der Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel erklärte in einem Interview für das Forum Eine Welt im Newsletter vom Mai 2015: „... Als Bundeswirtschaftsminister sorge ich dafür, dass Deutschland eine restriktive Rüstungspolitik verfolgt und die strengen politischen Grundsätze, die unter Rot-Grün eingeführt worden waren, vollumfänglich angewendet werden. Die politischen Grundsätze sind da ganz eindeutig: Bei sogenannten „Drittländern“ - also Staaten, die weder der Nato noch der EU angehören und auch nicht zu den Nato gleichgestellten Staaten, wie Australien oder Neuseeland zählen - gilt der Grundsatz: Keine Genehmigung von Kriegswaffen in diese Länder. Nur wenn seitens der BRD ein besonderes Außen-und Sicherheitsinteresse besteht, kann eine Ausfuhr im Einzelfall gerechtfertigt sein. Außerdem muss dann sichergestellt sein, dass deutsche Rüstungsgüter nicht für Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden. Oder zur Verschärfung von Krisen beitragen.“



Was haben Herr Gabriel und die Bundesregierung nun tatsächlich von diesen eindeutigen Grundsätzen im Jahr 2015 umgesetzt?

Im Februar 2016 ging eine schriftliche Anfrage von Jan van Aken, zu den Rüstungsexporten von 2015 an die Bundesregierung. (Jan van Aken: MdB, Die Linke, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses)
Unter dem Vorbehalt von Fehlerkorrekturen und Nachmeldungen wurden folgende Daten bekannt:

1. Genehmigungswerte des Jahres 2015, die von der jetzigen Bundesregierung verantwortet werden:
EU Staaten: 2,5 Milliarden Euro
Nato und Gleichgestellte: 0,7 Milliarden Euro
Drittländer: 2,7 Milliarden Euro

2. Die 10 Hauptempfängerländer 2015 und der Wert der Rüstungsexporte in Euro:
Vereinigtes Königreich: 1.653.649.275
Korea, Republik 515.915.442
Vereinigte Staaten 420.041.006
Algerien 411.408.582
Saudi-Arabien 270.040.534
Frankreich 157.456.865
Israel 156.740.809
Indien 153.645.088
Schweden 144.912.064
Kuwait 124.698.818

Zu diesen Positionen kommt die Lieferung von Panzern nach Katar mit einem Volumen von 1,6 Mrd. Euro, die von der vorangegangenen Bundesregierung infolge einer Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz aus dem Jahr 2013 politisch zu verantworten ist. Statistisch relevant für das Jahr 2015 ist ebenfalls ein U-Boot für Israel mit einem Volumen von 351 Mio. Euro, das auf eine Entscheidung aus 2003 zurückgeht.

3. Die Einzelausfuhrgenehmigungen 2015 für Rüstungsexporte in die MENA-Staaten (Middle East & North Africa) und der Wert der Exporte in Euro:
Ägypten 18.715.126
Algerien 411.408.582
Bahrain 1.012.343
Irak 40.877.931
Israel 156.740.809
Jemen 971.772
Jordanien 7.252.338
Katar 62.776.604
Kuwait 124.698.818
Libanon 1.294.876
Libyen 133.399
Marokko 3.555.940
Oman 95.894.240
Saudi-Arabien 270.040.534
Syrien, Arabische Republik 484.754
Tunesien 2.111.698
Vereinigte Arabische Emirate 107.281.038



Was sagen uns diese Zahlen?

1. Die Genehmigung von Rüstungsexporten in Drittstaaten ist nicht die Ausnahme , sondern die Regel. Viele dieser Drittstaaten liegen in Krisenregionen.

2. Zu den Hauptempfängerländern gehören Nato-und Drittstaaten, die kriegerische Auseinandersetzungen führen und zur Verschärfung von Krisen beitragen. (u.a.USA, Saudi Arabien, Israel, Katar)
Auch die Menschenrechtslage müsste Waffenlieferungen an einige Staaten verbieten. Dies betrifft insbesondere Saudi Arabien und Israel. (Mehr dazu, siehe unten)

3. Viele MENA Staaten sind in Kriege verwickelt.
Saudi-Arabien führt im Jemen Krieg. Der von Saudi-Arabien angeführten Militärallianz gehören zahlreiche MENA- Staaten an: Katar, Ägypten, Bahrain, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien und Marokko.

Der IS wird maßgeblich aus Saudi-Arabien und Katar unterstützt.



Und die Türkei?

Seit Jahren gehen Rüstungsexporte in das NATO-Land Türkei. Die türkische Regierung unterstützt den IS. Sie hat den Krieg in Syrien mit angeheizt und führt eigenmächtige Militäreinsätze im Irak und Syrien gegen kurdische Kämpfer durch. Im Südosten des Landes führt sie seit dem Sommer 2015 einen zunehmend eskalierenden Krieg gegen die kurdische Bevölkerung. Die Menschenrechtslage in der Türkei ist äußerst bedenklich.
Jan van Aken befragte die Bundesregierung auch zu den Waffenlieferungen in die Türkei. Hier die Antwort dazu.



Genehmigung neuer Waffenexporte in Länder mit problematischer Menschenrechtslage im März 2016

Saudi-Arabien: Da das Land im Jemen Krieg führt, hat sich das europäische Parlament Ende Februar 2016 für ein Waffenembargo gegen Saudi-Arabien ausgesprochen. Leider ist dieser Beschluss für die Regierungen der Mitgliedstaaten nicht bindend.
Aus einem Schreiben von Ressortchef Sigmar Gabriel an den Wirtschaftsausschuss des Bundestages ging hervor, dass dem Konzern Airbus dennoch die Ausfuhr von 23 zivilen Hubschraubern mit militärischen Einbauten nach Saudi-Arabien durch das Bundeswirtschaftsministerium genehmigt wurde.
Die Menschenrechtssituation ist schlecht. Saudi-Arabien hat eine absolute Monarchie. Es gibt weder Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit noch das Recht auf freie Meinungsäußerung. Verstöße können mit Gefängnis, Folter und Todesstrafe verfolgt werden. Schon eine andere Auslegung der Religion, Diebstahl oder Drogenhandel können mit der Todesstrafe geahndet werden. Im letzten Jahr gab es über 150 Hinrichtungen.

Israel: Thyssen Krupp bekommt die Erlaubnis U-Boot Technologie zu liefern. Die israelische Armee führte in den letzten Jahren Krieg im Libanon (2006) und in Gaza (2009/2014). Die Menschenrechte werden aufgrund der massiven Unterdrückung des palästinensischen Volkes seit Jahrzehnten verletzt.

Oman: Heckler und Koch darf 660 Maschinengewehre, 660 zusätzliche Läufe dafür und 550 Maschinenpistolen in den Oman exportieren. Des Weiteren wird der Firma Oberland Defence erlaubt 711 Rohrläufe für vollautomatische Gewehre in das Land zu liefern. Die Menschenrechtssituation in Oman ist nach Angaben von Amnestie International prekär.

Vereinigte Arabische Emirate: Heckler&Koch erhielt außerdem die Genehmigung für die Lieferung von 65 vollautomatischen Gewehren und ebenso vielen Maschinenpistolen an die Vereinigten Arabischen Emirate. Rheinmetall darf an das Land 65000 Stück Munition für Granatwaffen verkaufen. Menschenrechtslage: Keine Wahlen nach demokratischen Prinzipien, keine Gewaltenteilung und willkürliche Verhaftungen.

Thailand: Airbus darf Militärische Mehrzweckhubschrauber in das Land liefern.
Human Rights Watch berichtet im August 2015: In Thailand bestehen starke politische Spannungen. Besorgniserregend ist zum einen weiterhin die bewaffnete Gewalt in den südlichen Provinzen, wo muslimische Separatisten für Autonomie kämpfen. Zum andern ist die politische Situation verfahren, weil im Mai 2014 die Armee nach langandauernden Protestkundgebungen per Staatsstreich die Macht übernahm und Kriegsrecht einführte. Dies hat ernsthafte Einschränkungen in Bezug auf die Meinungsäusserungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zur Folge.

Indonesien: Heckler und Koch bekam die Erlaubnis 387 vollautomatische Gewehre und 100 Maschinenpistolen an das Land liefern. Auch Indonesien ist nach Angaben von HRW (August 2015) hinsichtlich der Menschenrechte problematisch: „….In den Regionen Papua und West Papua kommt es immer wieder zu willkürlichen und rechtswidrigen Tötungen durch die Militärkräfte, welche dafür nur selten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Die Haftbedingungen in Indonesien sind überaus streng. Indonesien kennt die Todesstrafe; Aktuell zählt das Land 140 zum Tode verurteilte Personen. Mehrere Todesurteile wurden im Jahr 2015 vollstreckt.“

Kosovo: 183 vollautomatische Maschinengewehre sollen geliefert werden. Im Kosovo gibt es weitreichende Mafiastrukturen. Kriminelle Organisationen handeln mit Waffen- und Drogen und Organen. Es wird angenommen, dass diese kriminellen Strukturen bis in Regierungskreise reichen. Dazu Berichte von RT und Die Welt
Das Auswärtige Amt schrieb im März 2016: In Kosovo befinden sich mehrere hunderttausend illegale Schusswaffen in Privatbesitz; die Hemmschwelle zu deren Einsatz ist vergleichsweise niedrig.



Quellen für die Genehmigung neuer Waffenexporte im März 2016: Junge WeltZeit Online AUGEN GERADEAUS!