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Robotersoldaten und Töten per Mausklick

Noch ein Spiel, Roboter bei der gamescom in Köln
Wie könnten die Kriege der Zukunft aussehen? Werden autonom agierende Waffensysteme die Kriegsführung völlig verändern?

Walter Listl, Autor und Aktivist beim Münchener Bündnis gegen Krieg und Rassismus, befasste sich mit diesem Thema. Im Juli 2016 veranstaltete das isw (sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.) das 24. Forum: „Digitale Arbeit und Industrie 4.0“. Walter Listl hob dort die Rolle der Kriegstechnik 4.0 hervor.

Rüstung und Kriegsführung 4.0

Wichtige Elemente von Industrie 4.0 finden ihre pervertierte Entsprechung im militärtechnischen Bereich. Robotersoldaten und Töten per Mausklick sollen die Kriege der Zukunft prägen. Man kann von einer Kriegsführung 4.0 sprechen.

Dazu der folgende Diskussionsbeitrag (aus isw-Report Nr. 106, Sept. 2016, München)

Im Schatten der Entwicklung von Industrie 4.0 entwickelt sich fast unbemerkt von der Öffentlichkeit ein Prozess, den Militärexperten als militärtechnische Revolution bezeichnen, Kriegsführung 4.0.

Die "Revolution" der Kriegsführung begann mit der Erfindung des Schießpulvers, setzte sich u.a. fort mit der Entwicklung von Atomwaffen, mit cyberwar – dem Weltraum als Kriegsschauplatz. Bei Kriegstechnik 4.0 könnten jetzt autonom agierende Waffensysteme die Kriegsführung völlig verändern.

Schon bisher gibt es Waffensysteme, die autonome Komponenten enthalten, etwa beim Raketenabwehrschirm der NATO.

In vielen Ländern der Welt, allen voran in den USA, wird jetzt an Maschinen gearbeitet, die so programmiert sind, dass sie autonom – d.h. ohne Zutun von Menschen – in der konkreten Situation vermeintliche oder tatsächliche Feinde erkennen und selbstständig
bekämpfen können. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu den heutigen Systemen, z.B. den Drohnen, die von Menschen gesteuert werden – wenn auch über Joystick in tausenden Kilometern Entfernung.

Nach Ansicht von Militärfachleuten handelt es sich nicht nur um eine weitere technische Entwicklung, sondern um eine militärtechnische Zeitenwende. Die Militärroboter sind autonom agierende und untereinander kommunizierende Waffensysteme, die den Menschen nicht nur das Töten abnehmen, sondern auch die Entscheidung darüber, wer wann wo getötet wird. Südkorea hat bereits militärische Roboter an der Grenze zu Nordkorea im Einsatz.

Mindestens zwei Konsequenzen sind damit verbunden:

1. Diese autonomen Waffensysteme können sich nur reiche Staaten leisten. Beim Weltwirtschaftsforum dieses Jahres hieß es, dass in China, Russland, Israel, Indien Frankreich, Südkorea und den USA die Forschung und Entwicklung dieser autonomen Waffensysteme,
der Militärroboter am weitesten fortgeschritten ist. Die Folge wird sein, dass sich die Angegriffenen mit asymmetrischer Kriegsführung, mit Terror und Anschlägen wehren werden.

2. Die Hemmschwelle, einen Krieg zu beginnen, wird in dem Maße sinken, wie die politisch Verantwortlichen damit rechnen können, dass nicht mehr eigene Tote in Leichensäcken, sondern allenfalls Militärroboter als Edelschrott aus den Kriegsgebieten zurückkommen.

Schon jetzt ist erkennbar, wie mit dieser waffentechnischen Revolution 4.0 die Scheu abhanden kommt, über die Führbarkeit von Kriegen zu fabulieren. US-General Breedlove, Surpreme Allied Commander Europe, sagte in einer Anhörung im US-Repräsentantenhaus
im Februar dieses Jahres: "Die USA sind bereit, gegen Russland in Europa zu kämpfen und es zu besiegen". (Friedensjournal Bundesausschuss Friedensratschlag 4/16) Die Annahme, dass dies möglich sei, ist nicht nur dumm, sondern verbrecherisch.

Noch wird von Menschen darüber entschieden, ob Krieg geführt wird oder nicht. Aber eine technologische Entwicklung Waffentechnik
4.0 kann die Hemmschwelle einer Entscheidung für Krieg senken, wenn das Risiko eigener Verluste minimiert werden kann. Schon eine dementsprechende Illusion reicht dafür aus.

Im Gegensatz zu Industrie 4.0 kann die vierte militärtechnische Revolution für alle tödlich enden. Notwendig ist daher eine engere Verschränkung von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und der Friedensbewegung, um dieser Tendenz Einhalt zu gebieten.