E-Mail-Verteiler
Hier können Sie sich in unseren E-Mail-Verteiler eintragen

Termine

A Long Journey - Bericht aus dem Flüchtlingscamp Sinatex

Es sind zwar erst vier Wochen vergangen, seitdem ich aus Griechenland, wo ich im Flüchtlingscamp Sinatex zwei Wochen gearbeitet habe, zurück bin, doch es kommt mir schon jetzt so vor, als wäre es eine Ewigkeit her. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, nicht jeden Tag an die lieben Menschen, die ich im Camp kennengelernt habe, zu denken und an die aussichtslose Situation, in der sie sich befinden.

Bei den Bewohnern des Camps geht es um Menschen, die ihr Zuhause verlassen haben, vor Krieg und Gewalt in Syrien geflohen sind. Menschen, die noch auf ihrer Flucht beim Grenzübertritt um ihr Leben fürchten mussten. Menschen, die, nachdem sie es geschafft hatten, in die Türkei zu kommen, dort als billige Arbeitskräfte ausgebeutet wurden (und das betrifft nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Minderjährigen). Menschen, die auf der Bootsfahrt von der Türkei nach Griechenland, Stunden der Angst auf dem unsicheren Meer erleben mussten mit der Grenzpolizei als Feind. Menschen, deren Traum während dieser langen Reise war, in Europa anzukommen und endlich in Frieden, wenn auch weit weg von Zuhause, leben zu können. Menschen, die dieser Traum am Leben gehalten hat. Menschen, die Hoffnung hatten, die Ruhe zu finden, die sie so sehr verdient haben. Menschen, die Hoffnung hatten, ihre Väter, ihre Mütter, ihre Geschwister, ihre Kinder wiederzusehen, von denen sie sich auf ihrer Flucht trennen mussten.

Doch diese Hoffnung wurde, als sie (viele im Februar oder früher) in Griechenland angekommen sind, zerstört. Denn es wurde nach und nach schwieriger, die Grenze zu passieren. Es bildeten sich riesige inoffizielle Flüchtlingscamps mit mehreren tausend Zelten ohne ausreichende Versorgung mit Wasser, Decken und Essen. Eines der größten war das Zeltlager Idomeni, das sich im Februar gebildet hatte und im Mai von der Polizei geräumt wurde. Daraufhin wurden die meisten in sog. „Militärcamps“ verteilt.

Eins davon ist “Sinatex” in der Nähe von Thessaloniki, wo ich mit einer Freundin, Giorgia, gearbeitet habe. Militärcamps sind offizielle Flüchtlingslager vom griechischen Staat. Das hört sich erstmal gut an. Doch leider täuscht der Eindruck. Es gibt nicht ausreichend Essen, wenig Hygieneeinrichtungen für die insgesamt 300 Leute. Bürokratie verhindert schnelles Handeln bei den großen NGOs sowie bei der griechischen Regierung, sodass es immer wieder an den banalsten Dingen wie Gemüse oder Shampoo fehlt. Zum Frühstück gibt es für alle jeden einzelnen Tag ein Schokocroissant und einen süßen Orangensaft,so kalorienreich, dass es kein Wunder ist, wenn die Kinder schlechte Zähne bekommen. Für Heizstrahler in den Zelten wurde immer noch nicht gesorgt und meine Freunde erzählen mir wie sie nachts wegen der Kälte nicht schlafen können.

Das alles macht mich sehr traurig und lässt mich verzweifeln, seit ich in Deutschland bin, noch mehr als vor Ort, weil ich da zumindest das Gefühl hatte, mit meinen Freunden zusammen zu sein und einen kleinen Unterschied machen zu können. Viele von ihnen sind schon seit über einem Jahr auf der Flucht und leben seit mehreren Monaten in Flüchtlingscamps unter menschenunwürdigen Bedingungen. Und daran wird sich so schnell auch nichts ändern.

2015 entschied die EU-Komission 160.000 Menschen von Griechenland und Italien auf die europäischen Länder zu verteilen. Bis heute haben gerade einmal 4718 Menschen Griechenland durch das sog. Relocation-Programm verlassen. Das entspricht knapp drei Prozent der in Griechenland lebenden Geflüchteten. In der Praxis bedeutet das, dass viele Geflüchtete den Termin für ihr Interview, auf dessen Basis ihr Asylantrag entschieden wird und in dem sie ihre Fluchtursachen erläutern müssen, erst nächstes Jahr im April haben. Nach dem Interview kann man nochmal von einer Wartezeit von bis zu mehreren Monaten ausgehen. Bis dahin sind sie gefangen in Griechenland, ungewiss wie es für sie weitergehen wird, allein gelassen. Dass sich ihre Situation also auch in naher Zukunft nicht ändern wird, ist für mich schwer zu begreifen.

Um mich zu beruhigen, versuche ich, an die tollen Menschen vor Ort zu denken, die bewundernswerte Arbeit leisten.
Alex und Andrea, die zusammen das Bî Sînor Culture Center, eine Schule, die aus zwei Zelten besteht und die seit letzter Woche mit Tischen und Stühlen ausgestattet ist, aufgebaut haben und die Leute weit über den Unterricht hinaus so weit unterstützen wie sie nur können.

Die Menschen aus dem Camp, die, obwohl es so schwer ist, die Hoffnung auf ein friedliches und menschenwürdiges Leben nicht verlieren, jeden Tag aus ihrem Zelt kommen und Unterricht für die 120 Kinder des Camps geben und somit einen riesigen Teil dazu beitragen, dass es für die Kinder zumindest einen etwas strukturierteren Alltag gibt, an dem sie sich festhalten können, in dem sie einfach spielen und Kind sein können.
Die vielen aufgeweckten, offenen Kinder, verbreiten so viel Freude, dass man sie einfach lieb haben muss. Jeden Tag kommen sie aus ihren Zelten heraus, um in die Schule zu gehen, um zusammen draußen zu sitzen, zu spielen oder sich zu unterhalten, weswegen viele sehr schnell Englisch gelernt haben. Auch wenn man leider sagen muss, dass lange nicht jedes der 120 Kinder in die Schule geht. Damit ihr euch besser vorstellen könnt, was die Menschen dort alles erlebt haben, habe ich einen Freund, Hussein, gebeten, seine Geschichte für euch aufzuschreiben.

„Six years of war, the death agony of poverty conquer the fatigue life of desperate darkness .... all this in Syria, I was born in 1995. My name is Hussein, a Kurd from Syria, I'm from a small town near the borders of Turkey, but I was living in Damascus, the capital .. Before all this since I was born and before we tried to cross to Europe we lived in the province of Hasaka and my father was an employee of the Ministry of Education ... My father was facing many difficulties in his work because he is a Kurd and they tried to kill him several times ..and so my father thought very much and he thought that Europe is the only place for our future. Finally, we made the decision to go to Libya and tried to come from there to Italy by boat in 1995 and my father documented the smuggler and gave him all the money and the smuggler fled away with the money. So we were forced to live in Libya for 10 years, my family consists of 10 people it was difficult and my father that provides money for all the family much and we went through difficult days and then my father collected a little money to return to Syria. And we went back to Syria, I was thinking I had to start a new life there in 2005 and after six years war began in Syria and we remained seven months under the horrible bombing in Damascus. I lost my house and my university and my friends and everything. I do not want to remember those days, but they will remain in my memory until the day I die every dimension and many things in Syria. We decided to go to Iraq and we decided to live there, but it was a very desperate life also I was working for long times at very low wages. After three years in Iraq, we collected a little money for the feet to Europe ... and we came by smuggling to Turkey and we walked 16 hours between the mountains and the atmosphere was very cold and then the Turkish border guards arrest us and take us to prison. The prison was a large dormitory where more than 500 humans sleeping on the ground without anything. On the sixth day in prison, got nothing will not forget throughout the life .... I lost my father. He died of a heart attack and the days were desperate and very difficult to forget. I took my father to a cemetery in the city of Batman, Turkey and buried there ....... I was very tired of this life as well as my mother and my whole family ..and then we decided our way because my father wanted it. We came to Greece by boat. It was also the longest hours in the life of the sea with 70 people small and very weak and then I came to Greece and I was very glad and sad at the same time and then we came to the island to the Greek capital Athens, then to the Macedonian border and the borders were open and came to Greece at the date of February 12, 2016 and closed the border suddenly .. . and I'm still stuck in Greece to this day ... in a very bad situation ... I just want to say .. we are just looking for a new life ... I wonder if this will be achieved the dream of my father, and we get to Europe ???? This is a very small story of my life ....Thank you.”
- Hussein

Hussein ist 21 Jahre alt.
Wir haben viele ähnliche Geschichten von unseren Freunden im Camp gehört. Ein Freund, musste sich bei der Grenzüberschreitung von Syrien in die Türkei um drei kleine Kinder kümmern, von denen keiner die Eltern ausfindig machen konnten, während Grenzpolizisten ihnen die Flucht erschwerten. Ein Familienvater sitzt mit seinen drei Töchtern in Griechenland fest, während seine Frau und zwei weitere Kinder in Deutschland sind. Doch da im März 2016 das Recht auf Familiennachzug eingeschränkt und bürokratische Hürden auferlegt wurden, ist ungewiss, wann die Familie sich wieder in die Arme schließen kann. Menschen sind so verzweifelt, dass sie versuchen, sich das Leben zu nehmen. Es ist unvorstellbar, was die Menschen durchmachen und wie stark sie sich in dieser Situation verhalten, wie sehr sie sich gegenseitig unterstützen, auch wenn es Tage gibt, an denen nichts geht.

Wie kann man nur im Entferntesten rechtfertigen, dass diese Menschen in Griechenland gefangen sind und feststecken? Wie kann man da noch vom demokratischen, Menschenrechte achtenden Europa reden? Es ist unbegreiflich und es geht mir nicht in den Kopf. Es ist einfach so verdammt ungerecht. Hier in Münster versuche ich im Alltag wieder anzukommen, weiter zu studieren, weg zu gehen, Spaß zu haben, doch es fällt mir schwer, mein Leben wie vorher weiterzuführen als wäre nichts passiert. Jeden Tag höre ich wie es meinen Freunden in Griechenland geht und ich fühle mich schlecht, dass ich sie nicht einfach im Flugzeug mit zu mir nach Hause nehmen konnte.

In solchen Momenten der Hilflosig- und Traurigkeit versuche ich, mir klarzumachen wie gut es mir geht und was für ein Glück ich habe (denn es ist nur das Glück in Deutschland mit deutschen Pass geboren zu sein), hier leben zu dürfen, das Privileg zu haben, ohne Krieg aufgewachsen zu sein, studieren zu können und so viel Freiheit zu haben, sei es der Weg zur Uni oder die Freiheit, in andere Länder reisen zu können und Freunde und Verwandte zu besuchen.

Und ich erinnere mich an die vielen lieben, offenen Freunde, Familienväter und –mütter und die Kinder, die ich in Griechenland kennenlernen durfte und die es mir mit ihrer Gastfreundschaft und ihren Einladungen zum Chai (Tee) und zum Essen in ihren Zelten sehr leicht gemacht haben, sie in den zwei Wochen so ins Herz zu schließen, dass ich versuche dies als Motivation zu nehmen, mich für andere Menschen zu engagieren, die in ihrem Leben nicht dasselbe Glück hatten wie ich.

Ich danke euch allen von Herzen für euer großes Interesse, für die unzähligen Nachrichten, für die Nachfragen zu meinen Erfahrungen in Griechenland. Das alles zeigt, dass es viele Menschen gibt, die Anteil nehmen und die Situation der Bewohner des Camps nicht als „normal“ hinnehmen. Ihr alle tragt einen Teil zum Erhalt der Menschlichkeit bei. Jeder noch so kleine Schritt ist wichtig. Gespräche mit Freunden, der Familie oder Kollegen, in denen ihr auf die Situation im Camp aufmerksam macht. Versucht Vorurteile abzubauen und stellt klar, dass jeder Mensch das gleiche Recht auf ein friedliches Leben hat, unabhängig von der Religion, Nationalität oder dem Volk, dem er angehört.

Die Integration geflüchteter Menschen in Deutschland, bedeutet dass ihr sie teilnehmen lasst an eurem Leben und ihnen die Ankunft in Deutschland erleichtert. Euer Handeln macht einen großen Unterschied!

Wenn ihr ein Projekt sucht, das die Flüchtlingsarbeit vor Ort in Griechenland unterstützt, dann kann ich auch wärmstens das Spendenkonto von Alex empfehlen. Mit den Spenden werden u.a. Hefte, Stifte und Spielsachen für die Kinder oder ganz banale Dinge, an denen es im Camp fehlt wie Shampoo, Spüli oder Gemüse gekauft. Gerade läuft die Arbeit an der Nähmaschine an und es wurde Wolle gekauft, so dass die Menschen sich Wintersachen stricken können. Alex verwendet wirklich alles direkt für die Menschen vor Ort, ohne dass Spendengelder für Bürokratie verschwendet werden.

Vielen Dank für jede Spende! Konto: 00014.591204 IBAN: CH05 0077 4000 0145 9120 4 Clearing-Nr.: 774

Für mehr Infos und Updates, könnt ihr auch ihrer Facebookseite www.facebook.com/besinor folgen. Wenn ihr noch irgendetwas wissen wollt, schreibt mir gerne!

Ich danke euch nochmal sehr für eure Unterstützung und hoffe, ich konnte euch meine Erfahrungen und die mit ihnen verbundenen Gefühle näher bringen!

Eure Jana


Briefe an Jana bitte an das Kasseler Friedensforum schicken. Wir leiten sie weiter.