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"Waffenexporte, wirtschaftlich notwendig und moralisch vertretbar?"

Eine Antwort des Kasseler Friedensforums an SchülerInnen des Engelsburg-Gymnasiums

Waffenexporte sind weder wirtschaftlich notwendig, noch moralisch vertretbar. Es ist nicht richtig, dass die Rüstungsindustrie für die Wirtschaft der Bundesrepublik von wesentlicher Bedeutung ist. Natürlich geht es den Rüstungskonzernen um lukrative Geschäfte, aber insgesamt ist der Anteil der Waffenproduktion und ihren Exporten an der Wirtschaft nicht sehr hoch. 2017 wurden in Deutschland Waren im Wert von 1 279,4 Milliarden Euro exportiert. (1) Die Einzelgenehmigungen der Rüstungsexporte betrugen im Vergleich dazu nur 6,24 Milliarden Euro.

Das ist moralisch gesehen, aber dennoch skandalös. Vor allem, wenn man sich ansieht, wohin die Rüstungsexporte gegangen sind. Mehr als 60 % aller Genehmigungen gingen an Drittstaaten, die weder zur Nato noch zur EU oder Nato gleichgestellten Ländern gehören. Diese Länder dürften eigentlich nur in gut begründeten Ausnahmefällen Rüstungsgüter erhalten. Schlimmer noch, es gingen in den letzten Jahren große Waffenlieferungen in Krisengebiete und sogar an kriegführende Länder. (2) In solche Länder dürften, wenn es nach den bundesdeutschen Rüstungsexportrichtlinien (Politische Grundsätze der Bundesregierung) ginge, überhaupt keine Waffen geliefert werden, selbst dann nicht, wenn die Waffenimporteure zu den Natostaaten gehören. Aber eine Richtlinie ist kein Gesetz, so dass die Waffenlieferungen, nach einer Genehmigung durch den Bundessicherheitsrat der Regierung, legal geliefert werden dürfen. (3,4) Moralisch gesehen ist es ein Skandal und natürlich völlig verantwortungslos.

Nun ein paar Beispiele für Genehmigungen im letzten Jahr: Saudi-Arabien, ein Land permanenter Menschenrechtsverletzungen, führt mit einer Kriegskoalition, zu der auch die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten gehören, einen erbarmungslosen Angriffskrieg im Jemen. Die Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung, die vor allem durch den Luftkrieg verursacht wurden, gingen über 10.000 Menschenleben. (5) In Folge des Krieges haben nach UNO-Angaben 17 Millionen Einwohner, das sind zwei Drittel der Bevölkerung, nicht genügend zu essen und 6,8 Millionen Menschen sind vollständig auf Lebensmittelhilfen angewiesen. Im November 2017 warnte die UN, dass Millionen Menschen durch die Blockaden von See- und Flughäfen akut vom Hungertod bedroht sein könnten. (6,7)
- Seit März 2015 führt die saudi-arabisch geführte Koalition diesen Krieg und die Bundesregierung hat in diesem Zeitraum im geheim tagenden Sicherheitsrat hohe Rüstungslieferungen genehmigt: 2016 bekam Saudi-Arabien für 529.705.969 Euro Hubschrauber, Radar-Spül-Systeme und Teile für Kampfflugzeuge, Kampfhubschrauber, Transportflugzeuge, Tankflugzeuge, Flugzeuge, Hubschrauber, Luftbetankungsausrüstung, Bodengeräte, Atemluftversorgung,
Ägypten bekam für 399.826.609 Euro ein U-Boot, Unterwasserortungsgeräte und Teile für U-Boote, Fregatten, Korvetten und Unterwasserortungsgeräte und die Vereinigten Arabischen Emirate erhielten für 169.475.128 Euro Pionierpanzer, LKW, Minenräumgeräte, Anhänger, Geländewagen mit Sonderschutz und Teile für Kampfpanzer, Panzerhaubitzen, gepanzerte Fahrzeuge, amphibische Fahrzeuge, LKW, Minenräumausrüstung, ballistischen Schutz, Munition für Granatpistolen, Granatmaschinenwaffen, Gewehre, Maschinenpistolen und anderes. (8)
Obwohl die humanitäre Lage immer katastrophaler wurde, steigerten sich die Exportgenehmigungen im letzten Jahr für die Vereinigten Arabischen Emirate nach Angaben von Stefan Liebig (Die Linke, MdB) auf 214 Millionen Euro und für Ägypten auf 428 Millionen Euro. Saudi Arabien bekam immer noch Lieferungen für 249 Millionen Euro zugesprochen. (9) Inzwischen gibt es einen Exportstop für die kriegführenden Länder im Jemen, aber die bereits genehmigten Rüstungsgüter werden wohl noch geliefert. (10,11)

Die Türkei führt seit dem 20. Januar 2018 einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Syrien, im kurdischen Kanton Afrin. Seit Jahrzehnten bekommt die Türkei beträchtliche Rüstungslieferungen aus deutscher Produktion, und das
obwohl die Menschenrechtslage immer wieder völlig desolat ist,
obwohl seit Herbst 2015 ganze kurdische Stadtteile in der Südosttürkei durch die türkische Armee mit schwerem Kriegsgerät zerstört wurden,
obwohl die Türkei islamistische Extremisten im syrischen Krieg unterstützt,
und obwohl die türkische Armee, nicht erst seit dem 20. Januar, in Syrien und auch im Irak interveniert.

Zwischen 2001 und 2012 bekam die Türkei Rüstung aus Deutschland im Wert von fast zwei Milliarden Euro. (12, 13) Zwischen 2006 und 2011 sind aus der Bundesrepublik 354 Leopard 2 -Panzer an die Türkei geliefert worden. (14)
Im letzten Jahr betrugen die schon stark reduzierten Exportgenehmigungen deutscher Rüstungsgüter immer noch 34 Millionen Euro. (15) Besonders in der Kritik stehen die zahlreichen Leopard 2 Panzer, deren Panzertürme von Krauss- Maffei- Wegmann hergestellt und mit Glattrohrkanonen von Rheinmetall ausgestattet wurden. (16) Beide Unternehmen produzieren auch in Kassel.
Der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel hatte noch im Februar 2018 versichert, dass seit Beginn der Syrien-Offensive ein kompletter Exportstopp für die Türkei gelte. Aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage des Grünen Abgeordneten Omid Nouripour geht nun hervor, dass in den ersten 5 Wochen des türkischen Angriffskrieges auf Afrin 20 Genehmigungen, im Wert von 4,4 Millionen Euro von der Bundesregierung bewilligt wurden. (17)

Außerdem entzieht sich die Rüstungsindustrie, durch die Ausgliederung von Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen ins Ausland, zunehmend den Kontrollen der Bundesregierung . Hier müsste dringend eine gesetzliche Regelung vom Gesetzgeber geschaffen werden. Die ARD-Reportage „ Bomben für die Welt“ berichtet ausführlich zu diesem Thema. (18)

Warum hält sich die Bundesregierung nicht an ihre eigenen Grundsätze einer restriktiven Rüstungsexportpolitik? Das mag verschiedene Gründe haben, eine Antwort darauf ist folgende:

„ Die Bedeutung der deutschen Rüstungsindustrie besteht darin, den technologischen Anschluss an die anderen waffenproduzierenden Staaten nicht zu verlieren. Die Investition in neue Waffensysteme lohnt sich nur, wenn eine Massenproduktion für Gewinne sorgt. Nur mit der Bundeswehr als Abnehmer könnten die deutschen Waffenbauer wirtschaftlich nicht überleben. Entweder müssen sie direkt staatlich subventioniert werden oder sie müssen einen Teil ihrer Gewinne durch Waffenexporte erwirtschaften. Der Anteil der Rüstungsproduktion an der Gesamtwirtschaft ist zwar relativ gering, aber die Milliarden aus den Rüstungsexporten sind für deutsche Waffenhersteller eine wichtige Einnahmequelle. Es geht also darum, dass die Politik den Rüstungsunternehmen Exportmöglichkeiten verschafft, damit diese Profite durch Auslandsgeschäfte machen, die sie dann wiederum in die Entwicklung neuer Waffensysteme investieren können. “ (19)

Krieg ist moralisch nicht vertretbar, auch nicht für Menschenrechte und Demokratie schon gar nicht für die Vorteilsbeschaffung wirtschaftlicher Interessen. Denn Krieg ist immer ein Verbrechen und bringt schlimme Menschenrechtsverletzungen, Not, Flucht und Tod mit sich.

Waffenlieferungen heizen Spannungen und Kriege in Krisengebieten an. Mit Waffengewalt werden keine Konflikte gelöst, sondern geschaffen. Die Kriegsursachen sind so nicht zu lösen. Benötigt werden Verhandlungen mit allen Konfliktparteien, eine Stärkung der UNO und eine gerechte Weltwirtschaft, denn die Erde gehört allen Menschen gleichermaßen.

(1) https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2018/02/PD18_039_51.html
(2) http://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-01/waffenexporte-ruestungsexporte-deutschland-krisengebiete-rekordhoch
(3) https://www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/Sicherheitspolitik/Externe-Links/2015-09-22-r%C3%BCstungsrichtlinien.pdf?__blob=publicationFile&v=1,
(4) http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/128/1812825.pdf
(5) https://www.tagesspiegel.de/politik/krieg-im-jemen-kaempfe-im-armenhaus-der-arabischen-welt/19914614.html
(6) http://www.spiegel.de/politik/ausland/hilfslieferungen-nach-jemen-uno-und-eu-fordern-aufhebung-der-blockade-a-1177585.html
(7) http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/jemen-un-warnen-vor-hungersnot-mit-millionen-toten-15284050.html

(8) http://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Aussenwirtschaft/ruestungsexportbericht-2016.pdf?__blob=publicationFile&v=6
(9) https://www.stefan-liebich.de/de/article/5148.regierungsversagen-bei-r%C3%BCstungsexporten.html
(10) http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/jemen-krieg-ruestungsexporte-bundesregierung-spd-stopp
(11) https://www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen/detail/bundesregierung-muss-absoluten-ruestungsexportstopp-fuer-jemen-krieg-verhaengen/
(12) http://www.aufschrei-waffenhandel.de/daten-fakten/empfaengerlaender/tuerkei/
(13) https://www.caat.org.uk/resources/export-licences-eu/licence.de.html?source=Germany&destination=Turkey
(14) http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/bodenoffensive-afrin-kurden-tuerkei-syrien-eu-staaten-besorgnis
(15) http://www.zeit.de/news/2018-01/24/deutlich-mehr-ruestungsexporte-unter-grosser-koalition-180124-99-774086
(16) https://www.hna.de/kassel/linke-waffen-aus-nordhessen-werden-im-syrienkrieg-eingesetzt-9644869.html
(17) http://www.fr.de/politik/syrien-tuerkei-afghanistan-ruestungsdeals-mit-ankara-trotz-syrien-offensive-a-1468202
(18) http://www.kasseler-friedensforum.de/367/rheinmetall/Bomben-fuer-die-Welt/
(19) http://spyurk.de/der-deutsche-waffen-mythos-und-die-ruestungsindustrie/