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Termine

Antikriegstag in Kassel

Foto: Bettina Wienecke
Am 1. September 2019 fand nach dem Gedenken am Mahnmal für die Opfer des Faschismus in der Volkshochschule eine kulturpolitische Matinee statt. Thomas Jansen vom Kasseler Friedensforum begrüßte die Gäste und sprach zur aktuellen friedenspolitischen Situation:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde des Friedens!

Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu dieser Matineeveranstaltung zum 80igsten Jahrestag des Überfalls von Nazi Deutschland auf Polen. Veranstalter sind die Volkshochschule Region Kassel, die auch diesen Raum zur Verfügung gestellt hat, der DGB, die VVN-Bund der Antifaschisten sowie das Kasseler Friedensforum, in dessen Namen ich nun spreche. Am heutigen Antikriegstag gedenken wir der Millionen Toten, die Opfer des grauenhaften Vernichtungskriegs der Nazis geworden sind. Zugleich reflektieren wir, dass die Parole „Nie wieder Krieg!“ nichts von ihrer Aktualität verloren hat.

Die Hemdsärmeligkeit, mit der heute Politik nach dem Gesetz der Stärke betrieben wird, ist erschreckend. Internationale Verträge zur Rüstungsbegrenzung wie der INF Vertrag oder der Atomvertrag mit dem Iran werden unter fadenscheinigen Gründen durch die Regierung Trump aufs Spiel gesetzt. Man nimmt es hin, dass stattdessen milliardenschwere Rüstungsprogramme aufgelegt werden bar jeder internationalen Kontrolle.

Im Wild-West-Stil droht man mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen, als hätte es niemals Hiroshima und Nagasaki gegeben. Der Journalist Franz Alt war schockiert, als er kürzlich im Gespräch mit dem Bürgermeister von Hiroshima erfuhr, dass auch 74 Jahre danach 3000 Menschen jährlich an den Spätfolgen der atomaren Strahlung sterben.

Die Öffentlichkeit hat sich daran gewöhnt, dass moderne Kriege stattfinden, ohne dass ein einziger Schuss fällt: Man sanktioniert ein Land wie den Iran, schneidet es durch Embargo von seinen Lebensgrundlagen ab, bestraft alle, die sich diesem Embargo widersetzen und nimmt in Kauf, dass 10.000ende Menschen an Mangelernährung und fehlender medizinischer Versorgung sterben.

Auf dem letzten Kasseler Friedensratschlag im Dezember erläuterte der deutsche UN-Spitzendiplomat Graf Sponeck, wie das 10-jährige Wirtschaftsembargo gegen den Irak zum Tod von hunderttausenden Irakern geführt hat, ohne dass ein einziger Schuss gefallen war.

Das vom Krieg zerschundene Syrien braucht humanitäre Hilfe statt EU- Sanktionen, die den Wiederaufbau des Landes behindern, das Überleben der Menschen belasten und die Rückkehr von hunderttausenden Flüchtlingen in ihr Heimatland erschweren.

Der Abschied von einer Politik der Entspannung auf der Basis des internationalen Rechts hat zu Instabilität und einer Hochrüstungspolitik geführt.
Allein die Nato-Länder investieren fast 1000 Milliarden Dollar für Rüstung, eine unvorstellbare Summe, die beim dringend nötigen sozial-ökologischen Umbau unserer Gesellschaft fehlt.

Die grüne Spitzenpolitikerin Katrin Göring Eckhard forderte kürzlich einen 100 Milliarden Etat im Bundeshaushalt zur Finanzierung der ökologischen Umgestaltung unserer Gesellschft. Wenige Tage später konnte man in der Süddeutschen Zeitung lesen, dass die Entwicklung und Produktion des neuen deutsch-französichen Jagdflugzeuges ebenfalls 100 Milliarden kosten soll. Dieselben Politiker, die nun den Vorschlag von Göring Eckhard in der Luft zerpflücken, haben keine Einwände, wenn es um die Beschaffung des Jagdflugzeuges geht, da hier allein die Sachzwänge der Rüstungslobbyisten gelten.

Wenn Deutschland die Nato-Vorgabe befolgt, seine Wehrausgaben bis 2024 auf zwei Prozent des BIP zu steigern, so läge der Rüstungsetat in fünf Jahren bei 85 Milliarden Euro. Niemand kann Verständnis dafür haben, dass die Ausgaben für Rüstung die Ausgaben für Bildung, Wohnen, Gesundheit und Familie zusammen um das Doppelte überschreiten.

Wir brauchen ein neues Denken, das Sicherheit nicht in militärischen Kategorien, sondern im friedlichen Ausgleich mit unseren Nachbarländern, auch mit Russland definiert.

Wir brauchen eine starke Friedensbewegung, die zusammen mit den Gewerkschaften, Kirchen und Parteien dieses neue Denken durchsetzt.

In den 80ziger Jahren war ich Zeuge, wie die gesamte Kasseler Stadtgesellschaft im Kampf gegen die atomare Bedrohung aufgestanden war und ihren Beitrag zur Verhinderung der Stationierung von Mittelstreckenraketen geleistet hat. Zahlreiche Friedensgruppen in Wohngebieten, in Betrieben, das Stadtparlament, der DGB engagierten sich für Abrüstung. OB Eichel erklärte die Stadt zur atomwaffenfreien Zone, 1000ende fuhren von Kassel zur Großdemo nach Bonn, die mit einer halben Million Teilnehmern das Bewußtsein einer ganzen Generation geprägt hat.

Anfang der 90iger Jahre umarmten allein 6000 in einer Menschenkette die Stadt vor Beginn des von der Bush-Regierung angezettelten Krieges gegen den Irak.

Die Friedensbewegung – so notwendig sie ist – hat Nachholbedarf. Andere Bewegungen stehen im Vordergrund: Die junge Generation kämpft bei Fridays for Future erfolgreich gegen die Klimakatastrophe, eine ganze Stadtgesellschaft hat vor kurzem mit 15.000 Teilnehmern im Bündnis gegen Rechts ein unübersehbares Statement gegen Rechtsradikalismus und jede Form von Rassismus gesetzt. Kassel kann stolz darauf sein, auch der DGB, der mit dem Runden Tisch gegen Rechts zum Gelingen erheblich beigetragen hat.

Die Parole heißt „Nie wieder Krieg“, nie wieder Faschismus!

Für eine neue Entspannungspolitik in Europa und auf der ganzen Welt!

Für Abrüstung statt Aufrüstung! Das ist die Lehre vom 1. September!!!


Am Mahnmal für die Opfer des Faschismus sprach Dr. Ulrich Schneider von der VVN-BDA Kreisvereinigung Kassel:
https://kassel.vvn-bda.de/