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Stoppt das Töten in der Ukraine - Aufrüstung ist keine Lösung!

Ansprache von Dr. Ulrich Schneider, VVN-BdA, zum Friedensaktionstag am 19.11.2022 in Kassel

Vor genau neun Monaten am 19. Februar dieses Jahres haben sich sicherlich nur wenige vorstellen können, dass wir heute hier zusammenstehen müssen, um der Forderung Nachdruck zu verleihen, „Stoppt den Krieg in der Ukraine“.
Warum erinnere ich an dieses Datum? In der Tat gab es schon damals deutliche Anzeichen für eine sich anbahnende militärische Eskalation. Und schon damals gab es vernünftige Stimmen, die sich für Verhandlungen, für die Einhaltung von Verträgen und für eine militärische Deeskalation einsetzten. Am 20. Februar 2022 verbreitete die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) folgende Vorschläge, die sich mit den Ideen der internationalen Friedenskräfte deckten. Sie trat ein für:
• „Eine propagandistische Deeskalation und Vorbereitung einer europäischen Sicherheitskonferenz im OSZE-Format, in der vertragliche Vereinbarungen abgeschlossen werden, die den Sicherheitsinteressen aller Staaten in Europa entsprechen.
• Wer keine russischen Mittelstreckenraketen in Kaliningrad will, muss auch vertraglich zusagen, keine an anderer Stelle nahe der russischen Grenze zu positionieren.
• Wer will, dass russische Truppen nahe der eigenen Grenzen abgezogen werden, der darf keine NATO–Truppen an seiner eigenen Grenze vorsehen.
• Wer keine politisch-militärische Eskalation in Europa will, der muss verhindern, dass die NATO sich – entgegen aller politischen Absprachen – weiter nach Osten ausdehnt.
• Wer eine Deeskalation der Lage will, muss zurückkehren zu vertrauensbildenden Maßnahmen (wie z.B. dem open sky-Abkommen), den Prinzipien der NATO-Russland-Grundakte von 1997 und zu echten Rüstungsbegrenzungs- und Abrüstungsverträgen, die durch die USA einseitig gekündigt worden sind.
• Nicht gefährliche Drohgebärden und Aufrüstung der Ukraine, sondern Diplomatie, eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur und der erkennbare Wille zur Abrüstung sind in dieser Situation nötig.
Die FIR und ihre Mitgliedsverbände haben schon vor mehreren Jahren die Forderung nach einer neuen Entspannungspolitik erhoben. Dies ist aktueller denn je. Dafür müssen sich die Friedenskräfte in allen europäischen Ländern öffentlich einsetzen.“
Das wurde vier Tage vor dem Krieg veröffentlicht.
Doch diese Stimmen fanden bei Politikern – und dabei nenne ich auch ganz ausdrücklich die Ampelkoalition und unsere Außenministerin – überhaupt kein Gehör. Vielmehr glaubte man mit markigen Worten und klaren „Signalen der Stärke“ die eigene außenpolitische Agenda durchsetzen zu können – auf Kosten von wem auch immer.
Fünf Tage später wurde in aller Brutalität sichtbar, wie aus politischen Drohgebärden ein konkreter Krieg entstand, weil im Vorfeld keinerlei Anstrengungen unternommen wurden, eine Deeskalation zu erreichen.

Und Dienstagnacht hätte es beinahe eine weitere Eskalationsstufe gegeben, als eine fehlgesteuerte ukrainische Luftabwehrrakete in einem polnischen Dorf einschlug und dort zwei Menschen tötete. Sofort waren kriegsbegeisterte Medien dabei, von einem russischen Angriff auf einen NATO-Staat zu berichten und den „Bündnisfall“ herbeizureden. Wir können froh sein, dass in dieser Situation rationales Handeln noch die Entscheidungen von Politikern bestimmte, man also seinen eigenen Geheimdienstinformationen mehr vertraute als dem Getöse in interessierten Medien.
Denn anderenfalls hätten wir heute in der Konsequenz einen großen Krieg zwischen der NATO und Russland, der im Moment noch als „Stellvertreterkrieg“ auf ukrainischem Boden ausgetragen wird.

Dabei ist der Begriff „Stellvertreterkrieg“ eigentlich in jeder Hinsicht unzureichend. Richtiger wäre die Beschreibung, dass dieser Krieg auf dem Rücken der ukrainischen – aber auch der russischen – Bevölkerung ausgetragen wird. Und das wissen wir aus allen militärischen Auseinandersetzungen der vergangenen Jahrzehnte, dass Kriege zu aller erst zu Lasten der Menschen in den Kriegsregionen und darüber hinaus gehen. Auch deshalb lautet unsere Losung heute: „Stoppt das Töten in der Ukraine – Aufrüstung ist keine Lösung!“

Je länger der Krieg in der Ukraine dauert, desto lauter werden zum Glück die Stimmen in der Zivilgesellschaft, die einen aktiven Beitrag der Diplomatie für eine sofortige Einstellung der Kämpfe und für den Beginn ernsthafter Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien fordern.
Niemand kann mehr übersehen, dass jeder weitere Tag des Krieges, jegliche weitere Waffenlieferung keinen Schritt zum Frieden bringt, sondern nur das Leid insbesondere der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten vergrößert. Zudem erleben wir am Beispiel des Streites um die Getreidelieferungen über das Schwarze Meer, dass insbesondere die ärmsten Staaten der Welt ebenfalls zu den Leidtragenden des Krieges gehören.

Anfang November haben deshalb die weltweit größten internationalen Verbände ehemaliger Kriegsteilnehmer und Verfolgter des Nazismus in allen Ländern, der Weltveteranenverband (WVF) und die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) sich in einem gemeinsamen Friedensappell für die sofortige Beendigung des Krieges in der Ukraine eingesetzt. In dem von ihren Präsidenten unterzeichneten Appell heißt es:
„WVF und FIR, beide als "Botschafter des Friedens" der Vereinten Nationen ausgezeichnet, erheben in der Tradition der Veteranen des Zweiten Weltkriegs und der Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, verbunden mit relevanten Kräften der Zivilgesellschaft in vielen Ländern Europas, in der aktuellen Situation ihre Stimme, für die Beendigung des Krieges in der Ukraine.
Wir rufen beide Seiten und alle verbündeten Kräfte zu einem sofortigen Waffenstillstand und zur Aufnahme von internationalen Verhandlungen auf. Waffen werden niemals Frieden bringen, Diplomatie und Verhandlungen sind der einzige Weg. Dies ist vor allem notwendig, um das Leben der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten zu retten.
Darin sehen wir uns auch mit Papst Franziskus einig, der eindringlich vor der Gefahr eines Atomkriegs gewarnt hat, der nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch für alle europäischen Länder und definitiv für die gesamte Menschheit katastrophale Folgen haben wird.“

Diese Botschaft wurde Anfang November auf einer Großkundgebung von etwa 100.000 Menschen in Rom für „Frieden in Europa“ vorgetragen. Ein gesellschaftliches Bündnis aus antifaschistischen Verbänden, der größten italienischen Gewerkschaften, Friedensinitiativen und sozialen Netzwerken sowie christlichen Organisationen hatte zu dieser Großaktion aufgerufen. Der Präsident des italienischen Partisanenverbandes ANPI hielt eine sehr emotionale Rede, die ich hier gerne zitieren möchte: „Warum sind wir hier? Wir sind hier, um zu schreien. Und unser Schrei wird lauter sein als das Getöse der Bomben. Er wird lauter sein, wenn wir uns immer mehr vereinen, wenn mehr Plätze wie dieser in Europa entstehen. Unser Schrei kann sich durchsetzen, wenn er zum Schrei eines Volkes, zum Schrei der Völker wird. Unser Schrei bricht das Schweigen der Diplomatie, verurteilt das Fehlen von Verhandlungen, lehnt den Krieg ab und erkennt alle als Brüder an. (...)
Es gibt einen anderen Weg, den Waffenstillstand, die Verhandlung, die internationale Konferenz, das Verbot von Atomwaffen. Es ist der Weg der Völker, des Lebens, des Traums von einer anderen, weniger unglücklichen Welt. Das ist der Weg der heutigen Partisanen. Partisanen des Friedens, Partisanen der Menschlichkeit.“

Leider sind wir in Deutschland von einer solch breiten Mobilisierung der Friedenskräfte noch weit entfernt. Dabei haben viele Menschen in unserem Land große Sorgen über die Fortsetzung der militärischen Eskalation. Es melden sich auch vermehrt wirkliche Fachleute, ehemaligen Militärs, Politiker, Diplomaten oder Journalisten mit Analysen und öffentlichen Stellungnahmen zu Wort, in denen sie die Rückkehr zu Diplomatie und Verhandlungen einfordern. Sie stellen sich damit gegen die politischen „Schwüre unverbrüchlicher Treue“ und massive Militarisierung der Kriegsregion, wie sie gerade erst wieder bei der Tagung der Außenminister der G7-Staaten propagiert wurde.
Auch wenn wir nur wenige sind, stehen wir heute in Kassel und wollen mit unserer kleinen Aktion, wie sie an diesem Tag in verschiedenen Städten in Deutschland stattfinden, die Stimme der Vernunft, der Verhandlung und des Friedens hörbar werden lassen.
• Wir brauchen einen sofortigen Waffenstillstand.
• Russland und die Ukraine müssen die Vermittlungsangebote der Vereinten Nationen und anderer Staaten annehmen.
• Unsere Regierung und die Europäische Union müssen einen eigenen Beitrag zu dieser Deeskalation leisten.
• Nur so können der Krieg gestoppt und Menschenleben gerettet werden.




Aufruf der Kreisvereinigung der VVN-BdA und der DFG-VK-Ortsgruppe in Kassel zur Kundgebung im Rahmen des bundesweiten Aktionstages:

Unsere Ziele sind Frieden, sowie ein gutes Leben für alle. Deshalb protestieren wir gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und das Aufrüstungsprogramm in Deutschland.
  • Wir fordern sofortige Waffenstillstandsgespräche ohne Vorbedingungen. Keine Seite kann damit rechnen, ihre Maximalforderungen durchzusetzen.
  • Wir fordern den Stopp weiterer Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet. Waffen bringen keinen Frieden!
  • Wir fordern den Schutz und die Aufnahme der Menschen, die vor Kriegen fliehen, die den Kriegsdienst verweigern und/oder desertieren, und die Aufarbeitung und Bestrafung von Völkerrechtsverbrechen.
  • Wir fordern den Stopp des 100-Mrd.-Aufrüstungsprogramms. Das Geld wird dringend für die sozialen Belange der Menschen in unserem Land gebraucht!
  • Wir scheinen einem alles vernichtenden Atomkrieg näher zu sein als je zuvor. Das ist politischer Wahnsinn.

Nähere Informationen auch über die Web-Seite: https://stoppt-das-toeten.dfg-vk.de