E-Mail-Verteiler
Hier können Sie sich in unseren E-Mail-Verteiler eintragen

Termine

Die Sanktionskeule als US-Wirtschaftskrieg gegen Venezuela

Von Ben Norton, Journalist und Schriftsteller (USA)
aus dem Friedensjournal März/April 2019

In den letzten Jahren machte Venezuela eine Wirtschaftskrise durch und obwohl die US-Regierung und Konzernmedien einzig die herrschende sozialistische Partei für diese Notlage verantwortlich machen, bestätigen interne US-Regierungsdokumente: Das, was Washington deutlich als „finanzielle Waffen“ beschreibt, wendet es bis heute an, um einen „Wirtschaftskrieg“ gegen die an Ölvorkommen reiche südamerikanische Nation zu führen.


Venezuela wird finanziell ausgeblutet

Das stille Eingeständnis bestätigt, was die Regierung in Caracas schon seit Jahren sagt: Die USA führen einen Wirtschaftskrieg gegen Venezuela, das Land mit den weltweit größten Ölreserven. Die von der Trump-Administration ausgerufenen lähmenden Sanktionen haben Venezuela zur Ader gelassen: Bereits Milliarden US-Dollar gingen Venezuela dadurch verloren. Der Rechtsexperte Alfred de Zayas, der erste Berichterstatter der Vereinten Nationen, der das Land seit zwei Jahrzehnten besuchte, sagte der Zeitung „The Independent“, dass die verheerenden internationalen Sanktionen gegen Venezuela illegal seien und durchaus ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen könnten.

Erpressung, Vergeltungsschläge, Isolierung

Professor Steve Ellner, führender Politikwissenschaftler, der zur Politik Venezuelas geforscht und jahrzehntelang in dem Land gelebt und gelehrt hat, erklärte in einem Interview auf Moderate Rebels, dass die Sanktionen Caracas wirtschaftlich isoliert haben: „Die Angst vor Vergeltungsschlägen von Seiten der Trump-Regierung hat die globale Wirtschaftsgemeinschaft gezwungen, die venezolanische Wirtschaft auszuschließen. Dies bedeutet praktisch eine Blockade Venezuelas.“
Anfang 2019 trieb die Trump-Administration das Messer noch ein wenig tiefer. Am 23. Januar inszenierte die US-Regierung einen Putsch in Venezuela, indem sie den nicht gewählten, rechten Oppositionsführer Juan Guaidó als angeblichen „Interimspräsidenten“ anerkannte.

Putsch und Interimspräsident

Guaidó, der laut einer Umfrage vom Januar dieses Jahres erstaunlichen 81 Prozent der Venezolaner unbekannt war, versucht bis heute, die legitime Regierung von Nicolás Maduro zu usurpieren. Dieser war 2018 in einem Präsidentschaftswahlkampf – der bewusst von der US-gestützten Opposition boykottiert wurde – wiedergewählt worden. Dieser noch immer anhaltende Putschversuch ist der Höhepunkt einer bereits zwei Jahrzehnte währenden Destabilisierungskampagne der USA, deren Ziel es ist, Venezuelas bolivarische Revolution zu zerschlagen. Caracas bezeichnet diese Kampagne schon lange als Wirtschaftskrieg. Und interne US-Regierungsdokumente beweisen, dass dies tatsächlich der Fall ist.

„Finanzwaffen“ und „Wirtschaftskrieg“ der USA

Während der Putsch in Venezuela wütete, veröffentlichte WikiLeaks ein Exzerpt dessen, was es als das „US-Putsch-Handbuch“ bezeichnet, nämlich das Army Special Operations Forces Unconventional Warfare Booklet (zu deutsch etwa: Handbuch der Spezialeinheiten der Armee zur unkonventionellen Kriegsführung). WikiLeaks wies vor allem auf einen Absatz dieser Publikation hin, der mit „Finanzielles Instrument der US-National-Macht und unkonventionelle Kriegsführung“ überschrieben ist. In diesem Absatz wird hervorgehoben, wie die US-Regierung, in ihren eigenen Worten, „Finanzwaffen“ einsetzt und einen „Wirtschaftskrieg“ gegen jene ausländischen Regierungen führt, die versuchen, einen eigenen Weg zu gehen.

Finanzmacht als Waffe

Im Handbuch zur unkonventionellen Kriegsführung schrieben die Spezialeinheiten der Armee (Army Special Operations Forces, ARSOF), dass die USA „in Konfliktzeiten ihre Finanzmacht als Waffe nutzen können, und dies kann zu einem großen, umfassenden Krieg führen oder diesen beinhalten“. Das ist gleichbedeutend damit, diese Länder dazu zu zwingen, der US-Politik zu folgen. Die ARSOF führten weiter aus, dass die Weltbank, der IWF und die OECD jene Institutionen sind, die die US-Regierung beim Erreichen dieses Ziels unterstützen. „Finanzwaffen“ können beispielsweise „staatliche Manipulationen von Steuern und Zinsen“ sein oder der Druck, der auf Finanzinstitute ausgeübt wird, „Anleihen, Zuschüsse oder andere finanzielle Hilfsmittel für ausländische Staaten oder nichtstaatliche Akteure einzuschränken“, erklärten die ARSOF. Das Handbuch folgert: „Das Office of Foreign Assets Control (OFAC, Kontrollbehörde des US-Finanzministeriums) betreibt schon lange wirtschaftliche Kriegsführung, die jeglicher ARSOF-Unconventional Warfare-Kampagne dient“.

Angriff auf den staatlichen venezolanischen Ölkonzern

Diese Kontrollbehörde des US-Finanzministeriums hat die Aufsicht über Sanktionen gegen Länder wie Venezuela. Am 28. Januar, als WikiLeaks das oben erwähnte Exzerpt twitterte, sprach das OFAC Sanktionen gegen den staatlichen Ölkonzern Petroleosde Venezuela, S.A. (PDVSA) aus.
Das Ziel dieser neuesten US-Sanktionen ist klar: Steve Mnuchin, Trumps Finanzminister und früherer Informationsmanager bei Goldman Sachs, wies darauf hin, dass Venezuelas von den USA unterstützter Putsch-Anführer Juan Guaidó PDVSA und Venezuelas US-basierte Öl-Anlagen dafür benutzen wird, seine ungewählte Parallel-Regierung zu finanzieren. OFAC, das laut ARSOF bereits in der Vergangenheit oft Wirtschaftskriege geführt hat, betonte – während es gleichzeitig den PDVSA sanktionierte –,dass dieses staatliche Ölunternehmen „eine der Hauptquellen von Venezuelas Einkommen und Fremdwährungen“ sei. Wie The Grayzone berichtete, griff Guaidó unmittelbar nachdem er sich –mit dem Segen der Trump-Administration – selbst zum „Interimspräsident“ ernannt hatte, den PDVSA-Konzern an. Guaidó und die von den USA unterstützte rechte Opposition hoffen, den staatlichen Ölkonzern PDVSA umzustrukturieren und in Richtung Privatisierung steuern zu können, indem sie die Hydrokarbon-Gesetze Venezuelas umschreiben und Verträge ausstellen, die multinationalen Konzernen den Zugang zu den größten Ölreserven der Welt verschaffen würden. Guaidó hat zudem finanzielle Unterstützung vom IWF erbeten, den die ARSOF als Verbündeten der USA in ihrer Strategie wirtschaftlicher Kriegsführung bezeichnet haben.

Sanktionen sind Teil des Krieges

Das Handbuch unkonventioneller Kriegsführung der ARSOF verdeutlicht, dass diese Maßnahmen nicht einfach eine friedliche Kampagne zum Zwecke der Druckausübung sind – sie sind Teil einer ausdrücklichen Strategie der „unkonventionellen Kriegsführung“, die gegen Venezuela gerichtet ist. Diese von der US-Regierung selbstgeäußerten Worte bestätigen, dass Sanktionen und andere wirtschaftliche Strafmaßnahmen nicht nur eine Art Vorspiel zu einem Krieg darstellen – sie sind eine Art Krieg.

Wie bei „mittelalterlichen Belagerungen von Städten“

Genau dies bewegte den ehemaligen UN-Berichterstatter Alfred de Zayas festzustellen, dass die USA sowie Verbündete wie die EU und Kanada einen Wirtschaftskrieg gegen Venezuela führen. Dies äußerte er sowohl in einem Interview im „Independent“ als auch in einem Bericht über Venezuela, den er dem Menschenrechtsrat der UN unterbreitete. De Zayas, ein Rechtsexperte, der Internationales Recht an der Genfer Schule für Diplomatie lehrt, schrieb: „Die Wirtschaftssanktionen und Blockaden von heute sind mittelalterlichen Belagerungen von Städten vergleichbar.“ Er fügte hinzu: „Sanktionen des 21. Jahrhunderts versuchen, nicht nur Städte, sondern ganze souveräne Staaten in die Knie zu zwingen.“

Simple Narrative

Als erster UN-Experte, der nach schockierenden 21 Jahren aus Venezuela berichtet, erzählte de Zayas dem Independent: „Wenn ich daherkomme und sage, die Emigration ist zum Teil auf den Wirtschaftskrieg gegen Venezuela und zum Teil auf die Sanktionen zurückzuführen, so wollen das die Leute nicht hören. Sie bevorzugen das simple Narrativ, dass der Sozialismus gescheitert ist und das venezolanische Volk im Stich gelassen hat.“ Und die USA stehen bis heute in ihrer Aggression nicht alleine da. Auch die Bank of England hat der souveränen Regierung von Venezuela verweigert, seine 1,2 Mrd. Pfund an Goldreserven abzuheben. Stattdessen bemühte sich ein Minister des britischen Außenministeriums, das Geld dem von Trump berufenen Putsch-Anführer Juan Guaidó zukommen zu lassen.

Die echten Ziele US-amerikanischer Außenpolitik

Das Handbuch unkonventioneller Kriegsführung der ARSOF liefert weitere Einsichten in das, was die USA tatsächlich motiviert, einen Wirtschaftskrieg in Venezuela und anderswo zu führen. Das Dokument skizziert eines der Schlüsselziele US-amerikanischer Außenpolitik: Den Freihandel auszuweiten und von Zöllen, Verboten und anderen wirtschaftlichen Hindernissen zu befreien. Zudem den Kapitalismus auszuweiten, um den wirtschaftlichen Aufschwung zu fördern, die Lebensbedingungen zu verbessern und den Verkauf und die Verfügbarkeit von US-Produkten für internationale Kunden zu befördern. Präsident Trumps ultra-militaristischer nationaler Sicherheitsberater John Bolton gab diese Prioritäten in einem Interview mit Fox Business wieder: „Wir sind nun im Gespräch mit großen US-amerikanische Unternehmen (...) Ich denke, wir haben das gleiche Ziel hier“.(...) Wirtschaftlich wird es für die USA einen großen Unterschied ausmachen, wenn US-amerikanische Ölkonzerne in die Ölressourcen Venezuelas investieren und diese selbst fördern können.“

Die deutsche Übersetzung erschien am 22.2.2019 zuerst auf Rubikon. Die vorliegende Fassung wurde von der Redaktion des Friedensjournals leicht gekürzt.

Friedensjournal März/April 2019 online lesen