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Termine

Umweltterror durch Militär auch ohne Krieg

Zerstörung eines Panzes mit Uranmunition im Irak 2003, Quelle: Wikipedia
von Reiner Braun, Kampagne Stopp Air Base Ramstein, erschienen im Friedensjournal Juli/August 2019

"Am Neujahrstag 2018 rufe ich nicht dazu auf. Ich warne - Alarmstufe rot für unsere Welt. Konflikte haben sich vertieft und neue Gefahren sind aufgetreten. Globale Ängste vor Atomwaffen sind am stärksten seit dem Kalten Krieg. Der Klimawandel bewegt sich schneller als wir." (…) UN-Generalsekretär Antonio Guterres in einer kurzen Neujahrsbotschaft zum Jahreswechsel 2017/2018 Quelle: www.unric.org

"Das Klima gefährdet den Weltfrieden“ heißt es unisono bei IPCC (Weltklimarat) und Fridays for Future (FFF) oder wie es auf der Webseite von FFF formuliert ist: „Die Klimakrise stellt für die Stabilität der Ökosysteme unseres Planeten und für Millionen von Menschen eine existenzielle Bedrohung dar. Eine ungebremste Erderwärmung ist eine enorme Gefahr für Frieden und Wohlstand weltweit.“

Aber welche Rolle spielt denn nun Militär und Krieg?
Es sollten schon alle Alarmglocken angehen: Militär wurde als Klimakiller bewusst aus dem Kyoto Protokoll und den andern UN-Klimadokumenten einschließlich der Charta von Paris ausgeklammert – auf Druck der USA und der NATO-Staaten. Damit gibt es nicht nur keine internationale Berichtsverpflichtungen zum CO2-Ausstoß, sondern auch keine definierten Reduktionsziele– die „Sicherheit der USA“ ist vorrangig gegenüber dem Überleben der Menschheit.

Ist Militär und Krieg nicht nur für Flüchtlingsströme, für Zerstörung und Tod verantwortlich, ist Militär ein Umweltterrorist?

Emsland: Moorbrände nach Raketenübungen

Im September 2018 gab es im Emsland einen wochenlangen Moorbrand, nachdem auf dem dortigen Übungsgelände der Bundeswehr Raketen verschossen wurden. Nicht nur empfindliche Flora und Fauna wurden zerstört, sondern auch große Mengen CO2 und Feinstaub freigesetzt – eine fast tägliche Zerstörung der Umwelt durch Militär, in diesem Fall medial etwas aufgepeppt durch den Brand und die stinkenden Rauchschwaden. Auch nach dem Brand werden weitere Waffentests auf dem Gelände durchgeführt.

Krieg der verbrannten Erde hat Tradition

Kriege und bewaffnete Konflikte zerstören Umwelt, ein Allgemeinplatz. Fast ist man geneigt zu fragen: was sollen sie denn sonst zerstören, wenn nicht Mensch, Natur und Umwelt. Ein kurzer Blick in die Geschichte veranschaulicht die Dimension: in vielen Kriegen der Geschichte wurde die Umwelt Opfer einer Politik der verbrannten Erde. Bewaffnete Konflikte verbrauchen und belasten natürliche Ressourcen(Luft, Wasser, Boden, Land, Wälder und Ozeane), belasten öffentliche Infrastrukturen und Dienstleistungen (z. B. Energie, Gesundheit, Abwasser, Müllabfuhr) und haben negative Auswirkungen auf den Erhalt von Wildtieren und Lebensräumen. Felder wurden verbrannt, Gewässer vergiftet und Land unbrauchbar gemacht, um der Bevölkerung und gegnerischen Truppen die Existenzgrundlage zu entziehen. Katastrophal war die Zerstörung von Deichen.

Vietnam: Krieg gegen Wälder und Nutzpflanzen

Der Vietnam-Krieg in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts war der erste Krieg, der sich gezielt gegen Natur und Umwelt richtete. Das US-Militär setzte großflächig das Entlaubungsmittel Agent Orange ein, um Wälder und Nutzpflanzen zu zerstören. Damit sollte die Nutzung des Dschungels zum Versteck und den Nachschub des Gegners unterbunden werden. Bei Millionen Menschen in Vietnam führte dieses zu Erkrankungen und Todesfällen – bis heute kommen in Vietnam Kinder mit genetischen Schäden zur Welt.
Die Vernichtung erreichte ein neues Ausmaß mit dem Einsatz von Atombomben der USA gegen die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki im August 1945. Durch die kombinierte Wirkung von Hitze, Druck und Strahlung wurden nicht nur hunderttausende von Menschen ausgelöscht, sondern auch die lokale Flora und Fauna; große Landstriche, das Wasser und die Atmosphäre für Jahre radioaktiv verseucht. Mehr als eine Million Langzeitopfer vor allem infolge von Krebserkrankungen melden die Statistiken. Das Zeitalter des Kalten Krieges: Im nuklearen Wettrüsten des Kalten Krieges wurden mehr als 2.000 Kernwaffen getestet, wodurch Plutonium und andere radioaktive Stoffe freigesetzt wurden, die bis heute weltweit zirkulieren und sich in der ökologischen Nahrungskette anreichern. Testgebiete wurden für die dort lebenden Völker unbewohnbar oder gingen verloren (wie das Bikini Atoll). Bei Nuklearunfällen fielen rund 50 Atomsprengköpfe und 11 Atomreaktoren in den Ozean. Und heute existieren nach wie vor 15.000 Atomwaffen mit der vielfachen Zerstörungskraft der Hiroshima Bombe: Ein Atomkrieg könnte die Atmosphäre so stark verdunkeln, dass das Leben auf der Erde gefährdet ist (Nuklearer Winter). Das Leben auf der Erde würde unweigerlich zerstört.
Noch ein aktuelles Beispiel: Während des Golfkriegs von 1991 zeigten die Öl-Brände in Kuwait und die Freisetzung von Öl im Persischen Golf die Folgen einer Politik der verbrannten Erde. Amerikanische Militärangehörige beklagten sich über das Golfkriegssyndrom, wahrscheinlich als Folge des Einsatzes von mehr als 1.000 Tonnen Uranmunition durch das US-Militär, radioaktive besonders durchschlagsfähige effektive Munition. Die Zerstörung der Umwelt durch das Militär geht aber weit über die vernichtenden Kriege hinaus:

Gewaltiger Ressourcenverbrauch auch ohne Krieg

Krieg und Militär gehören zu den größten Verbrauchern von Energie und anderen Ressourcen und setzen erhebliche Umweltschadstoffe frei. Militärische Landnutzung beeinträchtigt die Lebensqualität, Gesundheit und Ernährung betroffener Gemeinschaften. Lösungsmittel, Treibstoffe und andere giftige Chemikalien aus militärischen Aktivitäten verbleiben über Jahrzehnte in der Umwelt. Schwere Militärfahrzeuge beschädigen Böden und Infrastrukturen. Lärmbelästigung durch Militär stört den Lebensraum von Tieren und Pflanzen, bewaffnete Konflikte in Gebieten hoher Artenvielfalt beeinträchtigen Ökosysteme und deren Dienstleistungen für menschliche Entwicklung.
Weltweit verbraucht das Militär große Mengen fossiler Brennstoffe und setzt beträchtliche Mengen an Treibhausgasen frei, die zum anthropogenen Klimawandel beitragen. Das US-Militär ist der größte Einzelverbraucher von Energie in der Welt.

Militärische Altlasten: eine gigantische Dimension

Mit 39.000 verseuchten Gegenden in den USA beschäftigt sich das Umweltprogramm des Pentagon (nach Informationen des Pentagons). 126 US-Stützpunkte in den USA (House of Armed Service Committee) verseuchen die Umgebung, es existieren dort Probleme mit kontaminiertem Wasser und radioaktiven Vergiftungen. Wie viele mögen es weltweit angesichts von über 800 US Basen überall auf der Welt sein? Die geschätzten Kosten für die Sanierung militärisch kontaminierter Standorte liegen bei mindestens 500 Milliarden US Dollar.

Krieg für Öl:

Aufgrund der Abhängigkeit vom Öl der Industriestaaten aber auch des Militärs tendieren Militärs und Rüstungsunternehmen dazu, bewaffnete Interventionen oder Stationierungen überall auf der Erde zu unterstützen, um die Öl- und Energieversorgung zu sichern. US-kritische Öl produzierende Länder werden bewusst destabilisiert. Der Irak Krieg 2003 ist das zugespitzte aber nicht das einzige Beispiel. Die Entsorgung ausgedienten Militärequipments finden durch Kriege oder durch einfache Entsorgung z.B. auf hoher See statt. 1,8 Billionen Dollar sind die weltweiten Rüstungsausgaben pro Jahr: Dies ist eine gewaltige Abzweigung öffentlicher Ressourcen, die stattdessen in die von der UNO proklamierten Nachhaltigkeitsziele investiert werden müssten, für deren Realisierung 300 Mrd. US-Dollar pro Jahr veranschlagt werden. Allein um den Klimawandel zu stoppen, z.B. mit Investitionen in erneuerbare Energien und Umweltschutz, würden bis 2030 jährlich schätzungsweise ein Prozent des globalen BIP benötigt. In der Realität ist jede Ausgabe für ein militärisches Infrastruktur- oder Beschaffungsprogramm die sinnlose Vernichtung von begrenzten Ressourcen, über die unser Planet verfügt.

US Air Base Ramstein: Der regionale Umweltkiller

Am Beispiel der derzeit größten US-Base außerhalb der USA, der Air Base Ramstein können Umweltzerstörungen und die Folgen für das Klima besonders deutlich aufgezeigt werden: Der völkerrechtswidrige US-Drohnenkrieg ist nur möglich mit extrem hohem Aufwand an technologischen Ressourcen für Überwachungs- und Steuerungssysteme, sowie die personellen Ressourcen für die Datenspionage durch den riesigen Mitarbeiterstab von NSA und CIA. Die Air Base Ramstein liegt zwischen ausgewiesenen Natur- und Landschaftsschutzgebieten und steht im Widerspruch zu den Schutzzielen gemäß Landschaftsplanung. Der angrenzende Pfälzer Wald, das größte zusammenhängende Waldgebiet der Bundesrepublik, könnte sich zu einem naturnahen Touristenschwerpunkt entwickeln. Dieses wird aber durch die zahlreichen Miitäranlagen und den militärischen Flugbetrieb in der Region verhindert. Es findet eine großflächige Versiegelung und Verlust von Boden als Lebensraum statt. Emissionen von Kerosin gefährden Grundwasser und die Fließgewässer. Die Luft und das Kleinklima werden durch Wärmebelastung sowie durch wärmeabstrahlende Flächen belastet. (Ultra-) Feinstaub durch Militärflugzeuge wird verbreitet, die Verseuchung des Grundwassers u.a. durch Benzol schreitet voran. Schadstoffe in Luft, Wasser und Boden sowie der häufige Kerosinablass durch Zivilflugzeuge im Anflug auf Frankfurt Rhein-Main – aber auch durch Militärflugzeuge - prägen die Militärregion Kaiserslautern. In der Westpfalz wird die immense Gesundheitsgefährdung zunehmend in der regionalen Presse thematisiert. Ein Großtransporter Galaxy verbraucht bei einem Start 3.500 Liter Treibstoff. Damit könnte ein Diesel-PKW, der 10 Liter pro 100 km verbraucht, 35.000 km fahren. Düsenjets haben keine Rußfilter. Bei Starts und Landungen auf der US-Air Base Ramstein werden jährlich1, 35 Milliarden m³ Abgase "freigeetzt". Darin sind Schwefeldioxid, Stickoxide, Kohlendioxid, Brom, Bleiund Ruß in sehr großen Mengen enthalten. Kaiserslautern hat mit 5 t pro Einwohner den höchsten Ausstoß des Klimakillers CO2 in der Bundesrepublik zu verzeichnen. Militärflugzeuge nutzen das NATO Flugbenzin JP-8: dies ist Krebs erregend durch Additive. Signifikant höhere Krebserkrankungen in der Region Kaiserslautern sind von Fachärzten dokumentiert. Dieser Spezialtreibstoff, der nach einem aus dem Verkehr gezogenen Datenblatt des Herstellers Chevron giftige und krebserregende Bestandteile enthält, versickert aus undichten Tankanlagen in den Boden und gelangt so direkt ins Grundwasser unter dem Flugplatz. JP-8 wird auch vor der Landung abgelassen, weil Großtransporter ein bestimmtes Landegewicht nicht überschreiten dürfen. Es schlägt sich als öliger Belag auf Gartenteichen und als schwarze Schmiere auf allen Oberflächen nieder. Hinter vorgehaltener Hand warnen Förster vor dem Verzehr belasteter Früchte und Pilze aus den Wäldern im Anflugbereich des Flugplatzes. Der Fluglärm ist eine permanente Gesundheitsbelastung für die Menschen. Auf der US-Air Base Ramsteinfinden derzeit ca. 30.000 Starts und Landungen jährlich statt. Neben den sehr lauten US-Militärtransportern C-130 Hercules, C-17 Globemaster und C-5 Galaxy verkehren auch zivile Chartermaschinen, darunter die laute Anto-now AN-124. Hinzu kommt, dass die Militärregion auch als Übungszone für Kampfjets verschiedener NATO-Länder intensiv genutzt wird. Was fehlt, sind ein oder mehrere Fachstudien über die aus der Air Base resultierende Gesamtbelastung für Umwelt und menschliche Gesundheit. Die Politik will sie nicht, die Wissenschaft kneift.

Zusammenfassung

Eine ernsthafte Umwelt- und Klimadebatte um drastische CO2-Reduzierungen ist völlig unzulänglich ohne den CO2-Ausstoß und die Umweltzerstörungen durch das Militär. Umfassender Umwelt- und Klimaschutz heißt deshalb: Kriege beenden, neue Kriege verhindern, Rüstungsprojekte stoppen und die militärische Infrastruktur abbauen. Es ist Zeit, dieses Tabuthema bei jeder Umwelt- und Friedensaktion in die Öffentlichkeit zu zerren. Was wir brauchen ist:
  • Einen umfassenden Abrüstungsprozess, der damit die materiellen und finanziellen Ressourcen freisetzt zum Schutz und zum Überleben des Planeten und seiner Menschen.
  • Eine umfassende sozial-ökologische Transformation, basierend auf „common goods“, einem Wirtschaften, das den Menschen und nicht den Profit in den Mittelpunkt stellt sowie nationale und weltweite Konversionspläne zur Umstellung des Militärischen auf das Zivile, mit den Zielen der Schaffung von guter Arbeit. Das Militärische muss gegen Null gefahren werden (degrowth).
  • Die umfassende, lebendige und aktionsorientierte Zusammenarbeit von Klima/Umwelt- und Friedensbewegung: für das Leben und Überleben auf dem Planeten, mit nachhaltiger Entwicklungund globaler Gerechtigkeit.


Friedensjournal Juli/August 2019