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Pressemitteilung vom 18. November 2019


Zur Auseinandersetzung um die Israelfahne am Rathaus

Stellungnahme der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft, Regionalgruppe Kassel
(DPG-Kassel)

Der Stadtverordnete Simon Aulepp hat das Hissen der Israelfahne als Gleichsetzung des Judentums mit dem Staat Israel kritisiert. Diese Kritik hält die DPG-Kassel für berechtigt und notwendig, um Antisemitismus entgegen zu treten.

Wer anlässlich eines rechtsextremistischen Angriffs auf eine Synagoge, also auf eine Glaubensgemeinschaft deutscher Juden, die Staatsflagge Israels hisst, der verkennt , dass er dadurch unbewusst eine fatale Botschaft vermittelt, die Öl auf die Mühlen von Antisemiten gießt: Die eigentliche Heimat deutscher Juden sei demnach nicht Deutschland, sondern der Staat Israel. Wir hingegen sagen, dass Juden in Deutschland genauso zu uns gehören wie Muslime oder andere Glaubensgemeinschaften. Zu Recht ist niemand auf die Idee gekommen wegen der Ermordung von Halit Yozgat durch den NSU die türkische Nationalfahne vor dem Rathaus zu zeigen.

Fatal ist die Behauptung, Judentum und der Staat Israel seien nicht voneinander zu trennen, weil so jüdische Glaubensgemeinschaften in Deutschland mitverantwortlich gemacht werden für israelisches Regierungshandeln: Für die Besatzungspolitik, für den Ausbau der Siedlungen und für die geplante Annexion weiterer palästinensischer Gebiete.
Eine Lösung im Sinne zweier Staaten wird so zunehmend unmöglich. Um zu verhindern, dass ein Antisemitismus entsteht, der „das Judentum“ für diese Entwicklung verantwortlich macht, ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass es ein einheitliches Judentum gar nicht gibt. Sowohl in Israel als auch in Deutschland und der ganzen Welt gibt
es Juden, die sich nicht mit dem Staat Israel identifizieren, sondern sagen: „Nicht in unserem Namen!“ und damit Menschenrechte und Völkerrecht auch für die palästinensische Bevölkerung einfordern.

Wenn wir Rassismus und damit auch dem Antisemitismus in allen seinen Ausprägungen ernsthaft entgegen treten wollen, dann müssen wir aufhören in Stereotypen und Klischees zu denken. „Die Juden“ gibt es genauso wenig wie „die Muslime“, „die Palästinenser“ oder „die Deutschen“.

Besonders problematisch wird es, wenn vom Vorsitzenden der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Kassel behauptet wird, die Staatsfahne Israels sei auch ein Religionssymbol. Er scheint die Verhältnisse in Israel nicht zu kennen. 25% aller israelischen Staatsbürger haben keinen jüdischen Glauben. Die Mehrheit davon sind Muslime und Drusen, darunter sind aber auch Christen und Buddhisten. Zum anderen sind etwa 40%-50% der Einwohner Israels weitgehend säkular eingestellt. Gerade diese Juden wehren sich gegen den Einfluss des
Rabbinats. Sie fordern z.B. weltliche Eheschließungen, Wehrpflicht auch für streng religiöse Juden, öffentlichen Nahverkehr am Schabbat und die Eingliederung orthodoxer Schulen in das staatliche Schulsystem.

Die Behauptung, Kritik an Israel sei antisemitisch oder stelle sogar das Existenzrecht Israels in Frage, ist ein Argument, mit dem Menschen, die das Regierungshandeln Israels ablehnen, zum Schweigen gebracht werden sollen. Kaum jemand käme auf die Idee, Kritik an der
Politik Erdogans sei antitürkisch oder stelle das Existenzrecht der Türkei in Frage.

Antisemitische Einstellungen werden auch dadurch gefördert, wenn – wie im Falle des rechtsextremistischen Anschlags in Halle – den nicht-jüdischen Opfern nur wenig Beachtung geschenkt wird. Für die HNA waren sie nur „Passanten“. Der Fokus der Berichterstattung lag ausschließlich auf der angegriffenen Synagoge. Eine Hierarchisierung unter Opfern rechtsextremistischer Anschläge lehnen wir ab. Die DPG Kassel betont hingegen, dass ihre Anteilnahme sowohl den Ängsten der jüdischen Gemeinden gilt als auch den ermordeten Opfern und ihren Angehörigen. Der Täter war erfüllt vom Hass gegen Frauen, Fremde, Juden und Muslime, er meinte uns alle, die wir uns für Menschenrechte und gegen Rassismus einsetzen.

Kassel, den 18.11. 2019
Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft, Regionalgruppe Kassel