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Idlib

Jeder Krieg ist ein Verbrechen, es gibt keinen moralisch guten Krieg. Konflikte müssen am Verhandlungstisch gelöst werden. Die Ursachen müssen erkannt und behoben werden. Doch wo liegen die Ursachen? Wer hat angefangen? Wessen Interessen werden verfolgt? Wer sind die Kriegstreiber?

Hierüber lässt sich bekanntlich streiten. Es gilt mit Fakten zu arbeiten, um mögliche Lösungsansätze zu finden. Es geht nicht darum, auf einer Seite zu stehen.

Gerade der Krieg in Syrien ist komplex. Die anfänglichen Proteste für mehr Demokratie waren selbstverständlich legitim, denn es ging gegen einen Staat, der seine politischen Gegner mit drastischen Maßnahmen unterdrückte. Die Bewaffnung von oppositionellen Kräften hat jedoch einen Krieg entfacht, der 500.000 Todesopfer zählt. Die Hälfte der syrischen Bevölkerung musste fliehen, unzählige wurden verletzt und traumatisiert. Dieser Krieg wurde sowohl mit Waffen als auch mit Kämpfern stark aus dem Ausland befeuert. (1), (2)

Das Anzetteln eines solchen Krieges ist ein eklatanter Völkerrechtsbruch, denn jede militärische Unterstützung bewaffneter Aufstände in fremden Staaten ist prinzipiell verboten und duldet keine Rechtfertigungen. (3)

Waffenlieferungen, für die sogenannten syrischen Rebellen, gelangten problemlos im großen Maßstab über die Türkei, zu einem großen Anteil, an radikale Islamisten. Verantwortlich für die Waffeneinkäufe waren Saudi-Arabien und Katar. Bei der Auslieferung halfen die türkische, jordanische und amerikanische Regierung den Golfstaaten. (4)
Ab 2014 lieferten die USA ihr Militärgerät direkt an oppositionelle Kämpfer ins Kriegsgebiet. (5)
Den USA, Saudi-Arabien, der Türkei und anderen Staaten, die den Regimechange in Syrien anvisierten, ging es dabei nie um Demokratie und Menschenrechte, sondern um die Durchsetzung der eigenen geostrategischen Interessen. Es war seit August 2012 bekannt, dass die bewaffnete Opposition von Dschihadisten dominiert wurde. Der US-Militärgeheimdienst DIA schrieb damals: "Die Salafisten, die Muslimbruderschaft und al-Qaida im Irak sind die treibenden Kräfte des Aufstands in Syrien." und "Der Westen, die Golfstaaten und die Türkei unterstützen die Opposition, (...)" (6)
Syrien holte sich Russland, pro-iranische Milizen und Hisbollah zur Hilfe.
Die Zusammenarbeit Syriens mit dem Iran und der Hisbollah veranlasste Israel in Syrien militärisch, vor allem mit Luftangriffen, immer wieder auf Seite der Opposition einzugreifen. Etliche NATO Staaten, darunter auch Deutschland mit Überwachungsflügen, unterstützen die USA militärisch, vorgeblich im Kampf gegen den IS, der inzwischen jedoch besiegt ist. Aus dem anfänglichem Bürgerkrieg war ein internationaler Krieg geworden, der den Weltfrieden bedrohte.

Nachdem die Türkei die kurdischen Gebiete in Afrin und Rojava überfallen hatte, gab es von der Bundesregierung noch mäßige Kritik an Erdogans Militärinterventionen. Immerhin haben kurdisch dominierte Einheiten zusammen mit dem US-Militär den IS bekämpft und östlich des Euphrats die Hauptfördergebiete des syrischen Öls erobert. In der Folge haben die USA dort Militär-Stützpunkte errichtet, die den Staat Syrien faktisch teilen und von seinen wichtigsten Ressourcen abschneiden.

Der jetzige Einmarsch nach Idlib bleibt jedoch nahezu kritiklos. Im Gegenteil: In den Vordergrund gestellt werden die Rückeroberungen des syrischen Militärs mit russischer Hilfe. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ über ihren Sprecher Steffen Seibert erklären, "dass wir diese jüngste militärische Eskalation in Nordwestsyrien, besonders in der Region Idlib, mit sehr großer Sorge sehen". Die Bundesregierung verurteile den Angriff auf türkische Stellungen, sagte Seibert weiter.
Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, ging noch weiter: Syrische und russische Bombardierungen seien Kriegsverbrechen. Röttgen verlangte mehr Druck auf Russland. Im Falle von Kriegsverbrechen gegen Zivilisten "müssen wir über Sanktionen reden".(7)
Natürlich, auch die syrisch-russischen Angriffe auf Zivilbevölkerung sind Verbrechen, aber die Darstellungen der deutschen Massenmedien erwecken den Anschein, dass die türkische Armee den Menschen in Idlib helfen würde. Der Einmarsch von türkischem Militär bedeutet jedoch eine weitere Kriegseskalation und verlängert wahrscheinlich den Krieg. Klar ist, wenn die Kriegsschauplätze sich vermehren, verschlimmert sich das Leid der Zivilbevölkerung.
Zudem kämpft das türkische Militär an der Seite von Dschihadisten, - auch mit Panzern aus deutscher Produktion. Idlib ist die letzte Hochburg fundamentalistisch islamistischer Kräfte, die Assads säkulare Regierung gewaltsam stürzen wollen. Sie stehen für die Errichtung eines am Salafismus orientierten sunnitischen islamischen Staates. Diese Kämpfer wollen keinen Frieden. Es ist schon bizarr, dass die NATO-Staaten wiederholt solche radikal-islamistischen Kämpfer durch den NATO-Partner Türkei auf der einen Seite militärisch unterstützen, sie aber auf der anderen Seite als islamische Extremisten einordnen, die sie auf gar keinen Fall im eigenen Land haben wollen. (8), (9)

Hunderttausende Menschen fliehen inzwischen vor dem Krieg in Idlib. Die Türkei lenkt Geflüchtete aus aus ihrem Land an die griechische Grenze. Dort sind inzwischen rund 13.000 Menschen gestrandet. Griechenland sieht sich überfordert und hält die Grenze geschlossen. Die Türkei lässt die Menschen aus dem Grenzstreifen nicht wieder zurück. (10) Im Gegenteil: türkische Soldaten treiben die Migranten dort hin. (11) Gefangen im Niemandsland unter katastrophalen Lebensbedingungen spielen sich Dramen ab. Versuchen die Geflüchteten auf die andere Seite des Grenzflusses Evros zu gelangen, werden sie von griechischer Polizei und Militär mit Tränengas und Rauchbomben empfangen und mit Gewalt zurückgedrängt.
Aus Lesbos berichtete der grüne Europaabgeordnete Erik Marquardt: „Hier werden Tote in Kauf genommen.“ (12)

"Illegale Grenzübertritte werden nicht toleriert", heißt es in einer Erklärung, auf die sich die Innenminister der 27 EU-Länder bei einem Sondertreffen in Brüssel einigten. Zum Schutz der Grenzen sollen "alle nötigen Maßnahmen" ergriffen werden. (13)
Dabei wären knapp 140 deutsche Städte und Kommunen derzeit bereit, Flüchtlinge aufzunehmen. (14) Doch die Entscheidung, ob Geflüchtete aufgenommen werden, liegt beim Bundesinnenminsterium. Dieses lehnt eine Aufnahme bislang ab. (15)

Am 5. März 2020 hat es zwischen der Türkei und Russland ein Abkommen für einen Waffenstillstand gegeben. Es bleibt abzuwarten, ob sich daraus positive Entwicklungen ergeben.

Für zukünftigen Frieden in Syrien wäre es notwendig
  • das Völkerrecht und die Souveränität Syriens zu achten
  • alle ausländischen Truppen aus Syrien abzuziehen.
  • Waffenexporte zu stoppen.
  • die EU-Sanktionen gegen Syrien aufzuheben, denn sie wenden sich v.a. gegen die Zivilbevölkerung.
  • Hilfen beim Wiederaufbau des Landes zu geben.

Und selbstverständlich brauchen die Geflüchteten nach Vorgabe der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Asylrecht einen sicheren Aufenthalt in Europa. Besonders die reichen EU-Länder sind hier gefordert. Deutschland darf sich nicht mit der Drittstaatenregelung herausreden.

B. Malzahn, 8. März 2020


Quellen:

1- https://www.focus.de/die-welt-2020/the-world-in-2020-ende-auf-raten_id_11423980.html

2- https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgerkrieg_in_Syrien_seit_2011

3- Der Westen ist schuldig, Reinhard Merkel, August 2013:
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/syrien-der-westen-ist-schuldig-12314314.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

4- https://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-cia-hilft-saudi-arabien-bei-waffenlieferungen-an-rebellen-a-890754.html

5- https://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-usa-liefern-waffen-an-rebellen-a-945886.html

6- https://www.spiegel.de/politik/ausland/islamischer-staat-us-geheimdienstpapier-ist-kein-terror-masterplan-a-1036118.html

7- https://www.tagesschau.de/inland/idlib-227.html

8- https://www.nzz.ch/international/der-kampf-um-idlib-geht-auch-europa-an-ld.1543329

9- https://www.bmi.bund.de/DE/themen/sicherheit/extremismus-und-terrorismusbekaempfung/islamismus-und-salafismus/islamismus-und-salafismus-node.html

10- https://www.tagesschau.de/ausland/eu-griechenland-grenzschutz-103.html

11- https://www.tagesspiegel.de/politik/newsblog-zur-lage-der-fluechtlinge-tuerkei-treibt-migranten-offenbar-zur-griechischen-grenze/25599690.html

12- https://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlinge-an-tuerkisch-griechischer-grenze-hier-werden-tote-in-kauf-genommen/25603406.html

13- 13- https://www.tagesschau.de/ausland/eu-griechenland-grenzschutz-103.html

14- https://seebruecke.org/news/fuer-humane-aufnahme-gegen-rassistische-abschottung/

15- https://m.tagesspiegel.de/politik/newsblog-zur-lage-der-fluechtlinge-tuerkei-treibt-migranten-offenbar-zur-griechischen-grenze/25599690.html