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Frieden für Berg-Karabach?

Nach sechs Wochen Krieg in Berg-Karabach haben der armenische Premierminister Paschinjan und der aserbaidschanische Präsident Alijew einem Vermittlungsvorschlag Putins zugestimmt.
Russische Truppen sollen demnach das Verhandlungsergebnis in den umstrittenen Gebieten absichern.


Nach großen Territorialverlusten standen die armenischen Kämpfer mit dem Rücken zur Wand. Dem aserbaidschanischen Militär gelang mit Unterstützung der Türkei, die den Krieg mit Drohnen und dem Einsatz syrischer Söldnertruppen zugunsten Aserbaidschans mitentschied, der Sieg. (1)

Die von den Armeniern seit den 90er Jahren kontrollierten Gebiete wurden zurückerobert. In einer entscheidenden Schlacht wurde zudem die Stadt Schuschi, die für Armenier und Aserbaidschaner von großer historischer und kultureller Bedeutung ist, von aserischer Seite eingenommen.
Infolge der Kriegshandlungen verloren nach russischen Angaben mehr als 5000 Menschen ihr Leben. Von 145.000 Einwohnern Berg-Karabachs flohen 100.000 Menschen angesichts heftiger Kämpfe, vor allem nach Armenien.

Der Präsident Berg-Karabachs Araik Harutjunjan beschrieb die Lage am 10. November 2020 folgendermaßen: Armenien sei nicht mehr in der Lage, der militärischen Übermacht seines Gegners Widerstand entgegenzusetzen. Ohne ein Ende der Kämpfe würden die aserbaidschanischen Truppen auch die letzten Gebiete Berg-Karabachs einnehmen. (2) Auch der armenische Premierminister Paschinjan sprach über eine aussichtslose Niederlage: Der Krieg sei nach dem Verlust der strategisch wichtigen Stadt Schuschi nicht mehr zu gewinnen gewesen. Das Schicksal von 25.000 Soldaten habe auf dem Spiel gestanden. (3)

Das Verhandlungsergebnis soll von 1960 russischen Soldaten, die als Friedenstruppe die umstrittenen Gebiete für 5 Jahre absichern sollen, durchgesetzt werden.
Sowohl Armenien als auch Aserbaidschan hatten das bislang abgelehnt, weil Russland damit einen großen Einfluss auf die Entwicklung der gesamten Region nehmen könnte. (4)

Der Vereinbarung zufolge müssen sich die armenischen Streitkräfte aus den umkämpften Gebieten zurückziehen, die sie in den 90er Jahren eingenommen haben. Das sind die Provinzen, die die Region Berg-Karabach umgeben. Zudem sollen auch Gebiete in Berg-Karabach selbst an Aserbaidschan abgegeben werden. Geregelt wird auch die Rückkehr vertriebener Menschen in diese Region sowie der Austausch von Kriegsgefangenen, Inhaftierten und Toten.
Bereits bis zum 15. November 2020 soll die Kontrolle über den Bezirk Kelbajar an Aserbaidschan übergeben werden. Danach soll der Bezirk Aghdam und bis zum 1. Dezember Latschin folgen. (5) Letzterer ist der Landkorridor zu Armenien, der für die Sicherheit und die Versorgung der Karabach-Armenier von großer Bedeutung ist.
Um Berg-Karabach nicht ganz von Armenien abzuschneiden, sieht das Abkommen nun einen 5 km breiten Korridor vor, der durch russisches Militär abgesichert werden soll.
Im Gegenzug erhält Aserbaidschan zu seiner Exklave Nachitschewan einen Korridor, der über armenisches Territorium verlaufen soll. Damit wird eine Landverbindung von Aserbaidschan bis in die Türkei geschaffen, was neue Konflikte verursachen könnte.

Die Furcht der Armenier aus ganz Karabach vertrieben zu werden, ist nach wie vor groß.
Nach der überraschenden Friedensvereinbarung gab es in Armenien wütende Proteste und Ausschreitungen gegen die Entscheidung von Premierminister Paschinjan das Abkommen zu unterzeichnen. Das Parlament und der Regierungssitz wurden gestürmt und 17 radikale Parteien forderten den Rücktritt Paschinjans. Einige Oppositionelle führten sogar Gespräche mit dem Militär. (6)
Die Armeeführung scheint aber hinter Paschinjan zu stehen. Wenige Stunden bevor am vergangenem Donnerstag, den 12. November, wieder Demonstrationen stattfinden sollten, wurden prominente Oppositionelle aufgrund des Vorwurfs der Organisation „illegaler gewalttätiger Massenunruhen“ festgenommen. (7)

Da die grundlegenden Ursachen des Konfliktes ungelöst bleiben, ist es ungewiss, ob die Friedensvereinbarungen dauerhaft erfolgreich sein können. Es stellt sich auch die Frage, was mit den armenischen Bewohnern aus den nun ehemals armenisch besetzten Gebieten geschieht, wenn aserbaidschanische Flüchtlinge zurückkehren. (8)

Die innenpolitische Situation in allen Ländern der Region ist aufgrund von Wirtschaftskrisen und Corona-Pandemie zumindest in nächster Zeit sehr angespannt. Die prekäre Lebenslage der Menschen und die seelischen Verletzungen, die durch die Kriege entstanden sind, befördern Nationalismus, Egoismus und gegenseitiges Misstrauen. Die Einmischung anderer Staaten, insbesondere der Türkei, schürt den Konflikt und birgt weiterhin ein hohes Risiko für den Frieden in der Region.

Bleibt zu hoffen, dass Russland eine gute Rolle als Friedenswächterin spielt.

Birgit Malzahn, 13. 11. 2020


Quellen:

1- https://www.spiegel.de/politik/ausland/armenien-nach-dem-waffenstillstandsabkommen-in-bergkarabach-ein-volk-in-schmerz-und-zorn-a-b11b4c0b-97ad-45ab-b163-5fa44fdf62f0

2- https://www.tagesschau.de/ausland/armenien-aserbaidschan-bergkarabach-101.html

3- https://www.nzz.ch/international/armenien-nikol-paschinjans-feinde-rufen-zum-sturz-auf-ld.1586712

4- https://www.tagesschau.de/ausland/armenien-aserbaidschan-bergkarabach-101.html

5- https://www.n-tv.de/politik/Kreml-Truppen-auf-Weg-nach-Berg-Karabach-article22161117.html

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/bergkarabach-abkommen-armenien-aserbaidschan-faq-100.html

6- https://www.tagesschau.de/ausland/armenien-aserbaidschan-bergkarabach-101.html

7- https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/nagornyj-karabach-protestfuehrer-in-armenien-festgenommen-17048886.html

8- https://www.nzz.ch/international/armenien-nikol-paschinjans-feinde-rufen-zum-sturz-auf-ld.1586712
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