Bundeswehrwerbung in Kassel untersagen
An denOberbürgermeister der Stadt Kassel
den Magistrat der Stadt Kassel und die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung
Kassel, den 10.5.2023
Offener Brief an die Verantwortlichen der Stadt Kassel
Betr.: Bundeswehrwerbung in Kassel
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Mitglieder des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung,
ich erlaube mir mit diesem Offenen Brief, Sie um eine kommunalpolitische Entscheidung von in meinen Augen nicht ganz unbedeutender Art zu bitten.
Seit einigen Tagen müssen wir hier in Kassel die neue Werbestrategie der Bundeswehr an den Werbesäulen der Firma Ströer ertragen.
Ich bitte Sie hiermit ausdrücklich, sowohl der Bundeswehr als auch der Firma Ströer die Werbung im Stadtgebiet Kassels zu untersagen.
Die Werbung an den Straßenbahnen der KVG sei hier ausdrücklich mit einbezogen.
Es gibt viele Gründe warum dies geschehen sollte. Einige wenige möchte ich hier nennen.
Erstens ist der Inhalt der Werbeanzeigen dazu geeignet grundgesetzwidrige Einsätze der Bundeswehr im Ausland als zu erwartende Normalität zu suggerieren ("Damit unsere Freiheit grenzenlos bleibt.", oder: "Was zählt, wenn wir wieder Stärke zeigen müssen?").
Zweitens stellt die Glorifizierung des Tötungshandwerks eine zynische Komponente der zunehmenden Militarisierung unserer Gesellschaft dar, um insbesondere jungen Menschen über die Faszination von Gewalt und Militärmaschinerie die Bundeswehr als attraktiven Arbeitgeber schmackhaft zu machen.
Drittens betreibt die Bundeswehr mit dieser Werbung Schönfärberei und bewusste Zweideutigkeiten. Dies sei hier nur an einem Beispiel erläutert:
"Damit unsere Freiheit grenzenlos bleibt."
Damit?: - also mit dem Einsatz von Bundeswehr und Mordwerkzeug bliebe "unsere Freiheit" grenzenlos? Was für ein Zynismus!
Unsere?: Nun, meine NICHT! Aber vielleicht meint die Bundeswehr auch ihre eigene Freiheit zum weltweiten Einsatz (grundgesetzwidrig!)?
Freiheit?: die Freiheit des Kommiss? des Befehls?, des Gehorsams?, des Tötens und Verreckens auf Zuruf?, der Bombardierung unschuldiger Menschen in Afghanistan?, der Freiheit einer völker- rechtswidrigen "Intervention" in Jugoslawien? Oder der Freiheit, die wirtschaftlichen und politischen Interessen Deutschlands (und um WEN genau ginge es da?), wo und wie es gerade beliebt, durchzusetzen?
Grenzenlos?: welche Grenzen? Soll wieder am deutschen Wesen die Welt genesen? Wer soll mit "unserer Freiheit" beglückt werden?
Bleibt?: also geht es auch um eine Kontinuität kolonialer Innen- wie Außenpolitik nach wie vor als Basis von Politik?
Angesichts dieser wenigen Erläuterungen sollte es doch klar sein, dass es sich bei der Bundeswehrwerbung um eine aggressive, nicht nur den Frieden desavouierende Werbung handelt, sondern es auch um die Denunziation jeglicher anderer - friedlicher! - Arbeit geht, die die Menschen in diesem Lande und anderswo leisten. In dieser Tradition der Denunziation steht übrigens die über die Jahre immer wieder genutzte Grundformel einer sprachlichen Penetration auf den Plakaten der Bundeswehr:
"Mach, was wirklich zählt!".
Viertens gab es einmal Zeiten, unmittelbar nach 1945, da wusste man in Kassel noch, dass sowohl das Militär als auch die Rüstungsindustrie nicht gerade für blühende Stadtlandschaften die idealen "Partner" sind.
Diesem alten Wissen sollte man in Kassel endlich wieder eine reale Basis verschaffen.
Und wenigstens die grauenhafte Werbung der Bundeswehr in der Stadt verbieten.
Fördern wir mit der Erlaubnis für diese Werbung nicht auch noch die Werbung um das zukünftige Kanonenfutter der hiesigen Rüstungsindustrie!
Diese Werbung ist ein Schlag ins Gesicht JEDES FRIEDLIEBENDEN MENSCHEN.
In diesem Sinne hoffe ich auf Ihr Engagement.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Speicher
Weitere Adressaten dieses Briefes:
HNA, die Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung, Ströer Media Gmbh, Bundeswehr,
Freies Radio Kassel, HR Kassel, Offener Kanal und Bürgerinnen und Bürger der Stadt Kassel.